Impulse

Ein Unzeitgemäßer, der nicht nach der Pfeife tanzt und ein „beiseite Sitzender“ ist (Dissident wörtlich genommen). Es ist die Haltung des Nichtmitmachens, nicht Mitredens, des Nichtdabeiseins, die ihn auszeichnet. In seinen Reden, Auftritten, Artikeln und Büchern bringt er zur Sprache, was sonst nicht zur Sprache kommt. Damit steht er am Rand, oder an den Rändern unserer Zeit.
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Ich wage mich an einen der Größten. Nicht nur Goethes Werk steht schließlich ohne Beispiel da, auch sein Leben selbst: „Während er weiterhin unvergessliche Gedichte, Dramen und Romane schrieb und sich am „Faust“ abarbeitete, wurde er sich immer mehr bewusst, dass sein eigentliches Werk vielleicht doch das Leben selbst ist, dem er im Sturm der Geschichte eine unverwechselbare Gestalt geben wollte.“ (Rüdiger Safranski).
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Eine Begegnung mit der seither unerreichten Gestalt eigenwilligsten Philosophierens, mit dem Griechen, der nicht Philosophie lehrte, sondern die Philosophie war...
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Schopenhauer steht quer zu seiner Zeit und auch quer zu den Dummheiten der heutigen Zeit. Er flüchtete entschieden vor dem Getümmel und philosophierte in strenger Zurückgezogenheit, unbekümmert um das Urteil der Zeitgenossen, die zunächst nur wenig mit dem Exzentriker anzufangen wussten. Doch dann wird Richard Wagner auf ihn aufmerksam. Seine Musik kann als Erfüllung der Schopenhauerschen „Philosophie der Musik“ gesehen werden, der wir uns widmen werden.
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Der Weltuntergang hat eine große Vergangenheit und Konjunktur in der Gegenwart. Ob 9/11, Klimakrise oder Corona-Krise, die Welt ist voller Ereignisse, die immer wieder aufs Neue nötigen, vom drohenden Weltuntergang zu sprechen. Aus jüdischen und christlichen Wurzeln erwachsen, wird ein Ende der Geschichte proklamiert, ein dauerhafter Untergang unserer bekannten Welt verkündet. Bis in das 16. und 17. Jahrhundert, für manche Sekten bis zur Gegenwart, blieb diese Frist für christliche Eschatologen wie etwas Martin Luther maßgeblich. Das gesamte Mittelalter reflektierte eine auf ein vorbestimmtes Ende zulaufende Geschichte.
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Die Renaissance „vereinigt Licht und Schatten der gesamten Moderne in sich, die sie stürmisch einleitet. Die Welt entzaubernd, unerschrocken nach dem Wesen des Faktischen forschend, hebt sie alle überkommenen Legitimationen auf und löst damit die ununterbrochene Reihe der Revolutionen bis heute aus.“ (Volker Reinhardt).
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Die Romantik ist eine Epoche, die sich in einer Zeit des politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Umbruchs herausbildet. Sie reagiert als einer der ersten Kritiker auf die Aufklärung und die Französische Revolution, und versuchte, die Widersprüche und Einseitigkeiten, die Gefahren und Verluste, die der neue Zeitgeist und die Revolution auslösten, zu beheben. Damit begriff sie bereits die „Dialektik der Aufklärung“ in ihren widersprüchlichen Auswirkungen.
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Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Krise haben dazu geführt, dass es erstmalig eine Unterbrechung der 10-jährigen Tradition der Freitag-Vorträge und anderer Veranstaltungen der Philosophischen Praxis gibt. Da noch nicht absehbar ist, wie lange diese Unterbrechung anhalten wird, habe ich mich entschlossen, auf diesem Wege ein paar Gedanken zu äußern.
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Ein Grundsatz der Philosophischen Praxis lautet, dass sich das Leben nicht von selbst versteht, es will und muss gelernt werden. Dieser Grundsatz gilt seit Sokrates und den antiken Philosophen. Das Leben, wenn es denn gelingen soll, muss geführt werden. Ein geprüftes Leben, eines das sich selbst Rechenschaft abverlangt, wie der Meister Sokrates das bedachte, das überdachte Leben nannte, ein Leben, das Respekt verdient, dem wir Achtung zollen.
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In den unlängst erschienenen Sonderblättern der „Zeit“ zum 200. Geburtstag von Theodor Fontane hieß es: „Fontanes Gedankenwelt hat uns so viel zu sagen, weil sie von jenen Ambivalenzen durchzogen ist, mit denen auch wir uns noch quälen. Er kann uns lehren, dass es zu einem bürgerlichen Leben gehört, mit Widersprüchen zu leben. Dass es keine allein selig machenden Wahrheiten gibt. Dass ein Leben reicher ist als ein doktrinärer Standpunkt. Dass man dem Neuen gegen über aufgeschlossen sein und doch am Alten hängen kann.“
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„Karl Jaspers hat mit dem Konzept der Achsenzeit die Aufmerksamkeit auf das Faktum gelenkt, dass sich während einer relativ kurzen Zeitspanne um die Mitte des ersten vorchristlichen Jahrtausends in der Welt der Hochkulturen vom Nahen bis zum Fernen Osten ein kognitiver Durchbruch vollzogen hat. Damals entstehen in Persien, Indien und China, in Israel und Griechenland die bis heute wirksamen religiösen Lehren und kosmologischen Weltbilder. Diese starken Traditionen – Zoroastrismus, Buddhismus und Konfuzianismus, Judaismus und griechische Philosophie – haben einen Wandel der Weltanschauung herbeigeführt.“ (Habermas).
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Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard, der Verführer, der Einsame, der Abgründige, das Genie, der Radikale, war ein einmaliger, unvergleichlicher Mensch, Denker, Kämpfer und Schriftsteller. Er war ein Beunruhiger und Tröster, der uns aus unserer Gedankenlosigkeit aufjagt, der uns zusetzt und erbaut, der uns auf neue Wege lockt. Kierkegaard liest man nicht, man setzt sich ihm aus. Er lässt uns an einem Leben teilnehmen, das mit einer Wachheit, Aufmerksamkeit und Bewusstheit geführt wurde, wie kein zweites. Durch ihn wird man in Gedanken verstrickt. Ein weiter- bloß- so- Dahinleben wird erschwert oder heilsam vereitelt.
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Der Liberalismus beförderte ein neues Verständnis von Freiheit. In der Antike und während der langen Herrschaft des Christentums bedeutete Freiheit nicht, „zu tun, was man sich wünschte, sondern den richtigen und tugendhaften Weg zu wählen.“ „Frei zu sein bedeutete vor allem, frei zu sein von der Versklavung durch die eigenen niedersten Bedürfnisse.“ (Patrick J. Deneen).
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„Jedes Jahrhundert hat einen Geist, den es kennzeichnet. Der Geist des unseren scheint der Geist der Freiheit zu sein.Die erste Attacke gegen den Aberglauben ist heftig und maßlos gewesen, aber wenn die Menschen einmal gewagt haben, den Schutzwall der Religion anzugreifen, dann ist kein Halten mehr. Haben sie erst drohende Blicke gegen die Majestät des Himmels gerichtet, dann werden sie alsbald diese Blicke auf die Herrschaftsverhältnisse der Erde richten. Das Tau, das die Menschheit festhält, ist aus zwei Seilen gemacht: Das eine kann nicht nachgeben, ohne das das andere zerreißt. Das ist unsere gegenwärtige Lage. Wer vermag zu sagen, wohin sie uns führt. Wir nähern uns einer Krise, die auf Sklaverei oder Freiheit hinauslaufen wird.Auf folgende Überlegung wäre ich früher nie gekommen: Es ist tausendmal leichter, dass ein aufgeklärtes Volk zur Barbarei zurückkehrt, als dass ein barbarisches Volk auch nur einen Schritt auf die Zivilisation hin tut.Es scheint, dass alles, das Gute wie das Schlechte, seine Zeit der Reife hat. Wenn das Gute seinen Zenit überschritten hat,, wandelt es sich zum Schlechten, das Schlechte wandelt sich am Tiefpunkt zum Besseren.“ (Diderot, 1771).
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Es geht um das Unabwendbare und wie man damit inneren Frieden schließt. Früher schien man sich besser in das Unabwendbare schicken zu können. Der Volksmund sagte dazu: Es ist, wie es ist. Heute glaubt man, gegen alles ein Mittelchen zu haben und versäumt gerade damit das Einüben in eine notwendige Resignation.
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Wir seien zur Wahrheit fähig. Kann man diese Haltung noch vertreten? Die berühmteste Version zur Wahrheitsfrage ist die Szene, in der Pilatus dem Jesus von Nazareth die Frage gestellt hat: Was ist Wahrheit? Für jenen Menschensohn ist die Wahrheit bei Gott. Die Streichung Gottes hatte für die Wahrheitsfrage gewaltige Folgen. Hans Blumenberg dazu: „Die Wahrheit der Erkenntnis beruht nicht mehr darauf, dass sie Gott geschaffen hat, sondern darauf, dass es der Mensch schaffen könnte. Die wissenschaftliche Erkenntnis ist entwerfend, nicht vernehmend. Die Natur antwortet auf unsere Hypothesen.“
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Auch wenn es vergessen scheint: Neben der Bibel und dem Christentum ist die antike griechische Mythologie der entscheidende Ausgangspunkt für die Entwicklung der europäischen Kultur. Aber auch Mythen und Religionen unterliegen dem Verfall, wobei Götter und Mythen nicht sterben, sie wandeln nur ihre Gestalt. Sie sind wie ein Baum, der im Winter die Blätter verliert, die im Frühling wieder neu wachsen. Ihre Urbilder bleiben erhalten. Hans Blumenberg, meinte in seiner umfangreichen Studie „Arbeit am Mythos“, der Mythos sei nichts Abgelegtes oder Erledigtes. Jeder Mythos ist immer schon gewesen und wirkt bis in die Gegenwart.
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In diesem Mai-Programm haben die Frauen das Sagen. Zugegeben, wird auch dem „Vater aller Philosophie“ – Sokrates – ein wenig Platz eingeräumt, aber wenn man an die Kultur der Salons erinnert, wird bald klar: Der Salon war ein Refugium der Frauen. Die Salons der Aufklärung und der Romantik waren kulturelle Freiräume, Enklaven des Geistes, Freiräume des Denkens und der Begegnung. Mit ihnen wandelte sich auch die Stellung der Frauen, zumindest gesellschaftlich. Die Konversation wurde zum entscheidenden Moment der Salonkultur. Einige Frauen brachten es zu einer Meisterschaft der Gesprächskunst und der brillanten Dialoge.
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„Der Mensch muss mit dem Problem des Leidens fertig werden. Der östliche Mensch will sich des Leidens entledigen, indem er das Leiden abstreift. Der abendländische Mensch versucht, das Leiden durch Drogen zu unterdrücken. Aber das Leiden muss überwunden werden, und überwunden wird es nur, indem man es trägt.“ (C.G. Jung)
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„Wer keine Ähnlichkeit zwischen sich und dem anderen erkennt, wer nur das Fremde und Böse und nicht das Eigene sieht, der sei dazu verurteilt, es dem Feinde gleich zu tun. Nur wenn wir das Böse als Teil unserer selbst anerkennen können, wir also eingestehen, dass wir dem Feinde gewissermaßen ähnlich sind, unterscheiden wir uns von ihm. Halte ich mich für anders, bin ich vom gleichen Schlag. Halte ich mich für gleich, bin ich anders.“ (Todorov)
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„Was die kleine Momo konnte wie kein anderer, das war zuhören. Das ist doch nichts Besonderes, wird nun vielleicht mancher Leser sagen, zuhören kann doch jeder. Aber das ist ein Irrtum. Wirklich zuhören können nur ganz wenige Menschen. Und so wie Momo sich aufs Zuhören verstand, war es ganz und gar einmalig. Dabei schaute sie den anderen mit ihren großen, dunklen Augen an, und der Betreffende fühlte, wie ihm einmal Gedanken auftauchten, von denen er nie geahnt hatte, dass sie in ihm steckten. Sie konnte so zuhören, dass ratlose oder unentschlossene Leute auf einmal ganz genau wussten, was sie wollten. Oder dass Schüchterne sich plötzlich frei und mutig fühlten. Oder dass Unglückliche und Bedrückte zuversichtlich und froh wurden. Und wenn jemand meinte, sein Leben sei ganz verfehlt und bedeutungslos, und er selbst nur irgendeiner unter Millionen, einer, auf den es überhaupt nicht ankommt und der ebenso schnell ersetzt werden kann wie ein kaputter Topf – und er ging hin und erzählte alles der kleinen Momo, dann wurde ihm, noch während er redete, auf geheimnisvolle Weise klar, dass er sich gründlich irrte, dass es ihn, genauso wie er war, unter allen Menschen nur ein einziges Mal gab und dass er deshalb auf seine besondere Weise für die Welt wichtig war. So konnte Momo zuhören.“ (Momo, Michael Ende).
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„Man nennt sie Rechtsradikale oder Neonazis; damit glaubt man zu wissen, was von ihnen zu halten ist. Aber auch hier ist die Ideologie bloße Maskerade. Der jugendliche Mörder, der Jagd auf Wehrlose macht, gibt, nach seinen Motiven gefragt, folgende Auskünfte: „Ich habe mir nichts dabei gedacht. Mir war langweilig. Die Ausländer waren mir irgendwie (!) unangenehm.“ Das genügt. Vom Nationalsozialismus weiß er nichts. Die Geschichte interessiert ihn nicht. Hakenkreuz und Hitlergruß sind beliebige Requisiten.“ (Hans Magnus Enzensberger, Aussichten auf den Bürgerkrieg).„Der Linke, das weiß man, hat vor allem recht. Er misst sich ja andauernd an seinem Gegenteil, dem Rechten. Und er wäre wohl kein Linker, wenn er nicht glaubte, recht zu haben gegenüber seinem Gegenteil. Aber was den Linken besonders auszeichnet: Er hat nicht nur recht, sondern er ist auch der bessere Mensch. Aber sicher bin ich nicht, dass der Rechte nicht genauso recht hat wie der Linke und sich auch für den besseren Menschen hält.“ (Martin Walser, Deutsche Sorgen).
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Demokratie und Politik sind in der Krise. Das Vertrauen schwindet. Wer über das Politische nachdenkt, kommt zu dem Schluss, es geht etwas zu Ende. Aber was kommt danach? Das politische System scheint erschöpft. Eine postdemokratische, postchristliche, postkapitalistische Gesellschaft entspricht nicht mehr dem westlichen Gesellschaftsmodell. Mit der Krise der Demokratie und der Politik steht der Westen auf dem Prüfstand. Der Westen schwankt (Udo di Fabio). Die aktuelle Krise der Politik scheint nur ein Symptom einer Krise des westlichen Systems zu sein.
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Jakob Burckhardt, der vor 200 Jahren geboren wurde, formulierte den Gedanken, dass uns der Begriff von Größe abhanden gekommen sei. Es herrsche die tyrannische Macht des Gleichheitsgedankens. Geht es uns nicht auch heute so, dass wir Größe schwer anerkennen können, dass uns alles zu groß erscheint, was nicht so klein ist, wie wir selbst? Besteht nicht unser Ausgangspunkt darin, zu behaupten, es darf keine Größe geben, alles habe klein zu sein? Auf der anderen Seite ist wieder eine Anfälligkeit des Massenmenschen für starke Männer zu beobachten, damit verbunden eine Unterwürfigkeit und das Bedürfnis der Berauschung am großen Mann. Jakob Burckhardt schrieb prophetisch dazu:
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Theologen und Philosophen haben in den vergangenen Jahrhunderten über Erlösung nachgedacht. Zum Teil wurden Theorien formuliert, die uns heute ziemlich fremd vorkommen. Der heutige Zeitgenosse wird eher die Frage stellen, muss man denn erlöst werden und wovon. Erlöserideen kommen in allen Religionen vor. Meist waren sie mit der Erwartung eines neuen, goldenen Zeitalters verbunden. Im Laufe der Zeiten sind viele Erlöser aufgetreten, von denen erwartet wurde, dass sie vom dauernden politischen Schrecken befreien. Mit dem Erlöser sollte eine neue Zeit beginnen. Ursprünglich wurde, wie in Israel, die Erlösung im Äußeren erwartet, durch politische Umstürze, die aus der Not helfen sollten. Die Geschichte der Erlösung im Äußeren reicht bis zum „Heil im Sieg“, das Hitler verkündete.
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Was sind religiös radikale Denker? Das sind solche, die bisheriges Denken einrissen und umwarfen, die die Augen für einen anderen Blick öffneten, die letztendlich die Grundlagen des abendländischen Denkens erschütterten. Es waren staunenswert unfassbare, unvergleichliche Menschen. Philosophen, die, obwohl tief im Christentum verwurzelt, ihren Verstand nicht an der Kirchentüre abgaben, keinen Widerspruch sahen zwischen der Philosophie und dem Christentum als Lebensform.
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Ist nicht die Moderne entschlossen, alles zu unternehmen und nichts zu unterlassen, um das Böse aus der Welt zu schaffen? Und ist sie nicht entschlossen, das Böse entweder zu bekämpfen – oder einzuschläfern und ruhig zu stellen? Nein, das Leiden der Unschuldigen, während die Rücksichtslosen und Unverschämten ihren Reibach machen, und die Ohnmacht des Guten, das zum Gespött des Bösen wird, sind Realität. Dagegen ist nichts zu tun. Fragt sich, wie sich damit leben lässt.
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Adorno hat 1962 in einem Aufsatz die Frage: Wozu noch Philosophie? so beantwortet: „Philosophie, wie sie nach allem allein zu verantworten wäre, dürfte nicht länger des Absoluten sich mächtig dünken, ja, müsste den Gedanken daran sich verbieten, um ihn nicht zu verraten, und doch vom emphatischen Begriff der Wahrheit nichts sich abmarkten lassen.“ (Adorno 1962). Habermas bemerkt dazu in einem Aufsatz (1971), der die Frage Adornos aufnimmt:„Nun ist dieser Widerspruch das Element der ernst zu nehmenden Philosophie schon seit Hegels Tod.“
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…, und du schämst dich nicht, dich darum zu kümmern, wie du zu möglichst viel Geld und wie du zu Ehre und Ansehen kommst, doch um die Vernunft und die Wahrheit und darum, dass du eine möglichst gute Seele hast, kümmerst und sorgst du dich nicht? (Apologie des Sokrates)
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Nietzsche spricht den Zusammenhang und die Differenz zwischen Wissenschaft und Bildung an. Ebenso gibt es Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen Bildung und Weisheit. Zugespitzt könnte man fragen: Gibt es so etwas wie wissenschaftliche Bildung? Was ist das Problem der Wissenschaft? Wissenschaft hat ein enges Wirklichkeitsverständnis. In der Regel fällt der Mensch als soziales und kulturelles Wesen aus ihrem Blick. Als Tatsache wird nur anerkannt, was sich messen und methodisch als Gegenstand untersuchen lässt. Wirklich ist im Sinne der Wissenschaft auch nur das, was verständlich und erklärbar ist. Zur Wissenschaft gehören Aufklärung und Rationalität. Aufklärung meint das Hinterfragen, das Verborgene ans Tageslicht bringen. Das Dunkle wird nicht geduldet, damit auch nicht das Rätsel oder der Zauber. Rationalität ist dem Argument verpflichtet. Was nicht argumentierbar ist, ist nichtssagend. Auch das subsumieren des Einzelfalles unter ein Allgemeines, einer allgemeinen Regel, gehört zur Methode der Rationalität.
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Ist man schon lebensverneinend, ein unverbesserlicher Pessimist, oder gar ein notorischer Jammerer, wenn man feststellt, dass es auf der Welt mehr Schmerzen und Leiden gibt, als uns lieb ist? Niemand redet mehr von unserer Welt als ein „Jammertal“, das passt nicht in unsere „keep smiling“- Zeit. Aber man braucht nicht Auschwitz oder den Archipel Gulag bemühen, um die Welt ein Jammertal zu nennen. Ein Blick auf Syrien, die Kriege in Afrika, das Flüchtlingselend genügt. Vom persönlichen Leid einzelner ganz zu schweigen.
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Eine Philosophie des Lebens hat mit Erbauungs- und Ratgeberliteratur nichts zu tun. Sie will aus der Fülle des Lebens heraus philosophieren, aus dem Leben heraus denken, ohne aus dem Leben eine Theorie zu machen. Das Leben selbst wird dem Lebensphilosophen zum Erkenntnisorgan, indem es Subjekt und Objekt des Philosophierens ist. Der Philosoph als Philosophischer Praktiker will nicht Philosoph sein im Unterschied zum Menschen. Er will als lebendiges, wirkliches Wesen denken und sich dabei den erfrischenden Wogen des Weltmeeres aussetzen. In der Existenz der Welt soll gedacht werden, nicht im Vakuum einer Abstraktion. (Ludwig Feuerbach).
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„Zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts ist der Typus des Außenseiters aus der Gesellschaft wie Literatur so gut wie verschwunden. Der Einzelgänger, der sich fern von neuen Foren hielte, die nur nach Eingemeindeten zählen, besäße heute keinerlei Nimbus mehr, sondern erschiene wohl den meisten als schrullige Figur….Wenn alle meinen, es käme noch am entlegensten Ort darauf an, sich genügend Gesellschaft online zu verschaffen, so kommt dem Unverbundenen eine neue Rolle zu.“ (Botho Strauß)
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Die großen Vorhersagen zur Zukunft der Religionen sind nicht eingetroffen. Gott ist nicht tot, die Welt hat sich nicht säkularisiert. Grund genug, auch für nichtfromme Gemüter, sich Gedanken zu machen zu dem Ereignis, das wir mit dem Begriff Weihnachten bezeichnen. Was feiern wir da eigentlich? Was ist der Festanlass?
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Kant schreibt in seiner Anthropologie, dass es dreier Lebensfähigkeiten bedarf, um ein gutes Leben führen zu können: Geschicklichkeit, um im Leben zurecht zu kommen (etwa mit 20 Jahren), Klugheit, um mit anderen Menschen zu seinem eigenen Vorteil umzugehen (mit 40) und Weisheit, die die Torheit der beiden ersten einzusehen habe (mit 60). Und er fügt hinzu: „Es ist schade, sterben zu müssen, wenn man gelernt hat, recht leben zu können.“
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„Dass ein solcher Mensch geschrieben hat, dadurch ist wahrlich die Lust auf dieser Erde vermehrt worden. Mir wenigstens geht es nach dem Bekanntwerden mit dieser freiesten und kräftigsten Seele so, dass ich sagen muss, was er von Plutarch sagt: Kaum habe ich einen Blick auf ihn geworfen, so ist mir ein Bein oder ein Flügel gewachsen. Mit ihm würde ich es halten, wenn die Aufgabe gestellt wäre, es sich auf der Erde heimisch zu machen.“ (Nietzsche)
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Die Philosophen empfinden Stolz, Trost und Beschämung zugleich darüber, dass es einen solchen Ahnherrn wie Sokrates gegeben hat. Mit ihm kam Unglaubliches in die Welt eine tiefe Erschütterung, aus der eine erhabene Kultur hervorging. Die große abendländische Kultur hat sich an dem Einen orientiert. Laut Jaspers gehört Sokrates, neben Jesus, Konfuzius und Buddha, zu den vier maßgeblichen Menschen. Beschämt mögen wir sein, weil wir weit hinter seinem Vorbild zurückbleiben.
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Für Rüdiger Safranski, dessen Bestseller „Romantik. Eine deutsche Affäre“, um eine Rehabilitation der oftmals denunzierten Romantik bemüht ist, sei die Romantik ein Programm gegen die Langeweile und ihre Folgen gewesen: Das Bewusstsein von Leere, Nichtigkeit und Nichts. Diese Langeweile, so Safranski, war der eigentliche wahre Feind und die wirkliche Bedrohung der Generation, die durch die französische Revolution zu den höchsten Aufschwüngen der Einbildungskraft getrieben wurde.
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Was heißt radikal denken? Zum Beispiel denken, dass sich fast alle irren und nur wenige das Richtige meinen. Immerhin ist es der Vorzug der Philosophie, abseits von pragmatischen Gesichtspunkten in Freiheit zu denken. Nehmen wir folgendes Beispiel: In einem kürzlich erschienenen Interview in der Zeit bekennt sich Papst Franziskus zu seinem Glauben an den Teufel. Und auf die Frage, was seiner Meinung nach Teufels Werk, ist antwortet er: Eifersucht, Neid, Kriege.
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Sind die monotheistischen Religionen in sich gewalttätig? Die Frage nach dem Zusammenhang von Religion und Gewalt ist sicherlich eine komplexe. In der Bibel wie im Koran werden Gewaltakte, Aufforderungen zur Tötung Ungläubiger und zum Genozid geschildert. Menschen machen sich zum Sprachrohr Gottes und maßen sich an, in seinem Namen zu handeln. Damals wie heute. Tatsache ist: Mit den monotheistischen Religionen ist eine bestimmte Form von Gewalt in die Welt gekommen: „Die Gewalt im Namen Gottes“ (Jan Assmann).
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Oberflächlich betrachtet steht Epikur unserer gegenwärtigen Lebensform sehr nahe. Sein Name steht für den unbedenklichen Genuss der materiellen Freuden des Lebens, er gilt als Schöpfer des hedonistischen Systems, also dem Streben nach Lust als oberstes ethisches Prinzip, und er wird als der Begründer des abendländischen Individualismus gehandelt.
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John Maynard Keynes schrieb 1928 am Höhepunkt der Wirtschaftskrise einen Essay und kommt darin zu dem erstaunlichen Schluss, die Menschheit stehe unmittelbar vor dem Punkt, „ihr wirtschaftliches Problem zu lösen“. Der Kampf um die nötigen Bedürfnisse, der Kampf ums Dasein, könne schon bald gekämpft sein. Dann stelle sich aber der Menschheit eine neue Aufgabe, nämlich was sie denn mit der nun zur Verfügung stehenden Zeit anfangen werde. Was dafür gebraucht werde, sei ein neuer Mensch, der eine höhere Perfektion der Lebenskunst kultiviere und den Überfluss genießen könne. Er schließt seinen Essay mit der Hoffnung, dass die Wirtschaft zur Nebensache werde und der Mensch die Jagd auf ein endloses Wachstum als unsinnig einsehen werde. Hier irrte Keynes leider.
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Pascal, die französischen Moralisten, Arthur Schopenhauer, Nietzsche, Gomez Davila, Hans Kudszus um nur die wichtigsten zu nennen: Sie alle sind Philosophen, die über das Wesen des Menschen nachgedacht haben, die sich als Menschenkenner verstanden haben und als solche angesehen wurden, und die die Fragen der Lebensführung thematisierten – weshalb sie zu den Vorläufern der Philosophischen Praxis zu zählen sind. Sie äußerten sich weitestgehend durch Aphorismen.
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Romantik sei, so Novalis, der Versuch, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein zu geben. Novalis, der immer junge Romantiker, der heilig-nüchterne Schwärmer sah den Mangel einer modernen Welt voraus.
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Samuel Beckett hat Zeit seines Lebens über das Ende nachgedacht. Von „Warten auf Godot“ über das „Endspiel“ bis „Das letzte Band“ und „Glückliche Tage“: Leben unter Endspielbedingungen. So lässt er seine Figur Hamm im „Endspiel“ sagen: „Das Ende ist im Anfang, und doch macht man weiter.“ Sollte umgekehrt ein Anfang nicht auch im Ende sein? Becketts Figuren fallen alle in diesen Zwischenraum, zwischen dem Ende, das schon im Anfang ist, und einem Anfang, der immer auch ein Endspiel ist. Diese Zwischenzeit heißt Leben.
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In diesem Jahr geht die Amtszeit von Barack Obama zu Ende. Zu seinem Amtsantritt hielt er eine Rede, an die es sich lohnt, zu erinnern. Seine Rede hatte ein durchgängiges Thema: Die Tugend. Genauer: Die verpönte Demut und Dankbarkeit. Er erinnerte an die Ideale der Vorfahren und stellte sich damit in eine Tradition, die sich der Verantwortung für ihre Aufgabe bewusst war.
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Der wahre Freiherr von Knigge ist gerade nicht der „Benimm-Knigge“, wofür er den Meisten gilt. Vielmehr verweigert er ausdrücklich, wofür er doch später berühmt werden sollte. Warum er sein Buch „Über den Umgang mit Menschen“ geschrieben habe, beantwortet er so:
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Schon in der Antike wurde von den alten Griechen der Grundsatz entwickelt, der Mensch sei das Wesen, das nicht einfach lebt, sondern sein Leben führt. Ohne Arbeit an sich selbst, ohne Sorge um die Seele, müsse das Leben scheitern oder zumindest weit unter seinen Möglichkeiten bleiben. Das gelungene Leben, so schon der Meister Sokrates, wäre das Ergebnis vernunftgemäßer Lebensführung. Aber hat der heutige Mensch für dieses stolze Menschenbild der Antike noch ein Ohr? Ist es möglich, ihn wachzurütteln, wie Sokrates dies noch tat, um ihn zur Besinnung zu bringen, damit sein Stolz erwacht, und sie beginnt, sein Leben zu bedenken und schließlich zu führen?
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In seinem sehr lesenswerten Buch „Die Liebe und das Abendland“ berichtet Denis de Rougemont von den beiden großen Liebesformen, von denen wir geprägt sind: Eros und Agape. Man kann sie auch als die zwei Religionen des Abendlandes bezeichnen. Eros ist Repräsentant für die leidenschaftliche Liebe, das totale Begehren, aber auch das äußerste Verlangen nach Einheit, die Überschreitung ins Unendliche, die Vergöttlichung der Frau und das Streben nach einem verklärenden Liebestod. Der Gefühlsrausch, der sich bis zur mystischen Transzendenz steigern kann, findet sich heute in trivialisierter Form in der Erlebnisintensität der romantischen Liebe. In sentimentalen Filmen wird der Kult der leidenschaftlichen Liebe mit säkularisierten Leidenschaften dargestellt.
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„Was ist mit dir los, humanistisches Europa, du Verfechterin der Menschenrechte, der Demokratie und der Freiheit? Was ist mit dir los, du Heimat von Dichtern, Philosophen Künstlern, Musikern und Literaten? Was ist mit dir los, Europa, du Mutter von Völkern und Nationen, Mutter großer Männer und Frauen, die die Würde ihrer Brüder und Schwestern zu verteidigen und dafür ihr Leben hinzugeben wussten?”– aus der Ansprache des Papstes anlässlich der Verleihung des Karlspreises am 6. Mai 2016
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Sokrates wollte mit seinen berühmten „Was ist“ – Fragen nicht die Meinungen zu einem bestimmten Thema abfragen, er wollte also nicht wissen, wie dieser oder jener denn über etwas denke. Das wäre eine wissenschaftlich-empirische Vorgangsweise.
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Wie kann man unser modernes Denken beschreiben? Wieso versteht eine Gesellschaft, die mehr Wissen, Daten und Erklärungsmodelle als je zuvor hat, sich selbst und die Welt immer weniger? Das moderne Denken hat eine Zeitstelle in ihren Erklärungen eingebaut. Demnach hat sich „alles was ist“ entwickelt, aus sich selbst heraus, aus eigener Logik. Das Wesen der Dinge interessiert nicht mehr. Was sich zeigt, wird erklärt, mit entsprechenden Zahlen und Vergleichen. Allein die Tatsachen entscheiden. Die Frage nach dem „Wozu“ und dem Wesen ist entschwunden in einer Welt, die nur noch beschrieben wird, wie sie ist. Was fehlt, wäre die Frage, sollen wir das wollen? Ein Denken wäre notwendig, das über die Wirklichkeiten hinausgeht.
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Hegel erteilt in seiner Rechtsphilosophie jeder Instrumentalisierung der Philosophie eine Absage. Die Philosophie solle sich keine Aufgaben zuteilen lassen, sondern das versuchen zu verstehen, was an der jeweiligen Zeit zu verstehen ist. Verstehen kann man nur das Vernünftige. Aber die Welt ist nicht nur vernünftig. Was also tun?
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Fürwahr kann Montaigne als einer der Ahnen Philosophischer Praxis erklärt werden. An die Stelle einer anweisenden Philosophie tritt bei ihm die Wachsamkeit und Aufmerksamkeit, die das Leben bedenkt. Es ist der Modus der Nachdenklichkeit. Die Frage von eigentlich praktischem Belang ist darum bei Montaigne nicht etwa: Was soll ich tun?, sondern: Was tue ich? Das Ziel Montaignes ist, jemanden mit sich selbst und seiner Weise zu leben bekannt zu machen. Zur Probe des Lebens wird, ob es sich sehen lassen kann. Nicht ob ich tue, was ich denke, sondern ob ich denken darf, was ich tue, ist die Entscheidung, die zu treffen ist.
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Die Philosophische Lebensberatung folgt dem Grundsatz, den Menschen, der sich anvertraut, als den besonderen und einzigartigen, als diesen einen, der er ist, so innerlich und vielfältig wie möglich zu verstehen. Wer in die Philosophische Praxis kommt, möchte verstanden werden. Was heißt das? Sollte dies so schwer sein, dass es eigens betont werden muss? Ich denke, dass es sich dabei um eine regelmäßige Überforderung handelt, der man nur ausnahmsweise und in Grenzen gerecht werden kann. Den anderen verstehen beginnt man erst, wenn man versteht, wie der andere versteht, und das, was er uns zu verstehen geben möchte, ahnungsweise versteht, wie er.
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Philosophie kann nicht gelernt werden, nur das Philosophieren. Warum? Lernen kann man nur, wenn es einen sicheren Fortschritt gibt, wie zum Beispiel in den Wissenschaften, wo es im Laufe der Zeit zu einem sicheren Vorrat von Erkenntnissen kommen kann. Das gilt für die Philosophie nicht. In ihr kann nur das Nachdenken angeregt werden, durch Lektüre und Gespräch. Es gibt hier keine Vorgabe von fertigem Wissen, oder Einsichten, die nur gepflückt werden müssten. Insofern ist der Philosoph kein Gelehrter, sondern ein Weisheitsforscher. Was heißt das? Der Philosoph bedarf einer undisziplinierten Aufmerksamkeit. Alles kann ihn zu einer Einsicht verhelfen. Nicht nur die philosophische Lektüre, auch zum Beispiel die Literatur. Was kann man nicht alles „Menschlich-allzumenschliche“ von Dostojewskij, Thomas Mann oder Goethe lernen? Von letzterem dieses aus den Maximen und Reflexionen:
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Die Philosophische Praxis ist eine Alternative zu Psychotherapie, Psychologie und Coaching. Was heißt das aber und wie kann man das verstehen? Der Philosoph (zumindest in der Philosophischen Praxis und nicht in der Universität) ist nicht Fachmann, sonder als Mensch für Menschen zuständig. Er ist kein Spezialist für dies oder jenes, oder für Kopfangelegenheiten. Er widersetzt sich auch einer Rationalisierung der Gefühle, wie es häufig in der Psychotherapie passiert. Gefühle werden in der Philosophischen Praxis beantwortet. Das ist etwas anderes als professionell damit umzugehen. Erst wenn Gefühle menschlich beantwortet werden, kann eine wechselseitige Beziehung und daraus wiederum ein Gespräch in Gang kommen.
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Schon die alten Griechen behaupteten, der Mensch sei das Wesen, das nicht einfach lebt, sondern sein Leben führt. Der Mensch könne sein Leben verfehlen, wenn er nicht an sich arbeite, oder in Sorge um seine Seele sei. Ein gelungenes Leben war, nach dem Meister Sokrates zufolge, ein geprüftes Leben, also eines, das bedacht und entsprechend überdacht werde. Nur ein solches Leben, das sich um den Erwerb von Tugenden, sowie um Vernunft und Weisheit bemühe, sei ein Leben, das Respekt verdiene, und dem wir Achtung zollen könnten. In der Rückschau sprach man vom stolzen Menschenbild der Antike.
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„Es sitzt ein Vogel auf dem Leim, er flattert sehr und kann nicht heim. Ein schwarzer Kater schleicht herzu, die Krallen scharf, die Augen gluh. Am Baum hinauf und immer höher kommt er dem armen Vogel näher. Der Vogel denkt: Weil das so ist und weil mich doch der Kater frisst, so will ich keine Zeit verlieren, will noch ein wenig quinquilieren und lustig pfeifen wie zuvor. Der Vogel scheint mir, hat Humor."
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Was finden Menschen schön oder erhaben? Es hängt vom Menschen ab, aber wahrscheinlich auch vom Zeitgeist, der vorgibt, was gerade als schön zu beurteilen ist. Sage mir, was du schön findest, und ich sage dir, wer du bist. Wenn diese Aussage stimmt, dann befinden wir uns in einer „Krise des Schönen“. So zumindest der Befund im neuesten Buch des philosophischen Querdenkers und Außenseiters Byung-Chul-Han. Der Schlusssatz seines Buches lautet:
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Was sind die grundsätzlichsten Fragen der Philosophie? Worauf kommt es im Leben eigentlich an? Wenn Philosophie ins Grundsätzliche getrieben wird, dann führt der Weg zur Religion. Zwei bedeutende Philosophen, Richard Rorty und Gianni Vattimo, halten Religion für das Grundsätzlichste. Beide wollen verstehen, was es mit der These, es gäbe eine Wiederkehr der Religionen, auf sich hat. Diese Wiederkehr versteht sich keineswegs von selbst, ist doch die moderne Gesellschaft in ihrer innersten Wesensart a-religiös. Dafür haben Aufklärung, Wissenschaft und Technik gesorgt. Wenn aber die Moderne glaubensanfällig wird, dann ergeben sich zwei Fragen? Was bedeutet das für das Selbstverständnis der Moderne, und, wie ist eine Wiederkehr der Religionen zu denken?
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Die abendländische Geschichte wurde als Weg „vom Mythos zum Logos“ beschrieben. Damit verbunden war die Hoffung, von den vielen Mythen, die für den Glauben standen, zu einem Logos zu kommen, der die wissende Aufklärung ausdrückte. Der Logos steht auch für eine Vernunft, die Fortschritt, Erkenntnis und Autonomie auf den Weg bringen, und die Natur beherrschen sollte. Die Philosophie hat kräftig an dieser Beförderung mitgewirkt.
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Die Auswirkungen einer Ichbezogenheit kann man heute in einer chaotisch verworrenen Weltlage sehen, in der sich alle gegen alle mit äußerster Macht und Brutalität bekämpfen. Man kann sie aber auch am Einzelkämpfertum sehen, an den hochindividualisierten Individuen, die ihr eigenes Leben und die Welt nur von ihrem eigenen Standpunkt aus betrachten.Unlängst war in der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ folgendes zu lesen:
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Für Max Scheler, den Klassiker der philosophischen Anthropologie, besteht die Sonderstellung des Menschen in seiner Fähigkeit, Nein zur Wirklichkeit sagen zu können: „Mit dem Tiere verglichen, das immer Ja zum Wirklichen sagt – auch da noch, wo es verabscheut und flieht-, ist der Mensch der Neinsagenkönner, der Asket des Lebens, der ewige Protestant gegen alle bloße Wirklichkeit.“
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In der Moderne erfuhr die Arbeit eine sonderbare Aufwertung. Sonderbar deswegen, weil in früheren Zeiten die Arbeit immer verpönt war und die Freiheit erst jenseits der Arbeit einsetzte. In der Zeit der Reformation unter Luther wurde die Arbeit aufgewertet und die einstmals bevorzugte „vita contemplativa“ verworfen und von der „vita activa“ durchdrungen. Seitdem ist die Ruhe und Muße, die oft eine Zeit des Konsums und der Freizeit ist, die Zeit der Erholung um der Arbeit willen. Das Arbeitstier, der „animal laborans“, kennt nur noch die Pause von der Arbeit, aber keine kontemplative Ruhe mehr.
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Es hat sich als Irrtum herausgestellt, zu glauben, dass die Religionen auf dem Rückzug sind. Sie sind zurückgekehrt. Leider nicht nur in zivilisierter Frömmigkeit. Mit der Wiederkehr der Religionen sind viele fundamental auftretende religionskritische Schriften auf den Markt gekommen, die Religion als Gift bezeichnen. Man könnte annehmen, die Säkularisierung sei auf dem Rückzug, wie einstmals die Religionen, wenn man den missionarischen Eifer der neuen Atheisten beobachtet, mit dem sie die Religionen bekämpfen.
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Religion und Gewalt. Auf den ersten Blick ist nicht einzusehen, was Religion mit Gewalt zu tun haben sollte. Ist Religion nicht das einzige Mittel, das dem Menschen gegeben wurde, um Gewalt einzudämmen? Diese Aufgabe konnte und kann Religion nur erfüllen, wenn sie ihrerseits auf jede Art von Gewalt verzichtet, und ihre humanisierende, versöhnende, verzeihende und barmherzige Kraft ausübt. So positiv der Beitrag von Religionen zu einem friedlichen Zusammenleben ist, Gewalt ist stets von ihnen ausgegangen. Immer gab und gibt es Gotteskrieger, die im Namen Gottes des Barmherzigen unbarmherzig vorgingen und vorgehen. Aber sind Religionen inhärent gewalttätig, ist in ihnen auch der Ursprung von Gewalt zu sehen?
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Alles scheint heute in der Krise zu sein: Die Wirtschaft, die ihre Fortschrittshoffnung nicht mehr erfüllen kann. Die Politik, die sich einer verwirrten und chaotischen Welt gegenübersieht. Das Finanzsystem, das sich nur noch um sich selber dreht. Die Beziehungen, in denen sich sowohl Frauen als auch Männer immer öfter in einer „unheimlichen Unabhängigkeit“ gefangen sehen. Der einzelne Mensch, der sich, total befreit, der Parole der Selbstoptimierung unterworfen hat, zugleich aber verloren und überfordert fühlt. Noch einmal der einzelne Mensch, der sein Leben als Geschenk an sich selbst betrachtet, mit dem er dann konsequenterweise nach Belieben verfährt, und sich aus allen unhintergehbaren Bindungen, wie Erbgut, Familie, Geschlecht, herauslöst.
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Seit über 3,5 Jahren gibt es nun die Philosophische Praxis „Verrückt nach Sokrates“. Das und der Jahreswechsel fordert mich heraus, wieder einmal innezuhalten, und darüber nachzudenken, was die Philosophische Praxis eigentlich ist. Sie ist für mich ein Ort der Besinnung, wo in Ruhe und entsprechender Ausführlichkeit über Lebensthemen und Lebensfragen nachgedacht und diskutiert werden kann.
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Der Mensch ist dasjenige Wesen, das über sich selbst nachdenken kann. Das hat er auf unterschiedlichste Art und Weise getan. Während z.B. man früher den Menschen in Differenz zum Engel bestimmte, ist es modern, den Menschen aus dem Tier heraus zu erklären. Die Philosophischen Anthropologen Max Scheler und Arnold Gehlen gingen einen anderen Weg. Sie fragten nach dem Wesensunterschied des Menschen im Vergleich zum Tier. Was macht den Menschen zum Menschen, was ist seine Sonderstellung? Dabei ging es ihnen nicht um die graduellen Unterschiede zwischen Mensch und Tier, sondern eben um das, was den Menschen wesentlich vom Tier unterscheidet.
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Auf Gomez Davila trifft zu, was Heidegger in einer Vorlesung über das Leben des Aristoteles sagte: „Er wurde geboren, arbeitete und starb.“ Tatsächlich war das Leben dieses Einsamen, der als „Einsiedler am Rand der bewohnten Erde“ (Kolumbien) von 1913-1994 lebte, nicht reich an äußeren Ereignissen. Er widmete sein Leben fast ausschließlich seiner Familie und dem Lesen, Denken und Schreiben in seiner Bibliothek. Sein Werk, das er selbst nur in Privatdrucken herausgab, besteht nur aus kurzen Bemerkungen, Sprüchen und Aphorismen. Aber die haben es in sich. Sie elektrisieren, überraschen, verführen und können einen sprachlos machen.
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In der Philosophie gibt es eine lange Tradition, einen Umgang mit dem Tod zu finden. Schon Cicero schrieb: „Philosophieren heißt sterben lernen.“ Das beständig an den Tod denken sollte helfen, leben zu lernen und, wenn es soweit war, ohne Angst das Leben loszulassen. Von einem solchen heroischen Umgang mit dem Tod zeugte das Leben und Sterben des Sokrates, aber auch die Haltung der Stoiker: „Übe dich täglich darin, mit Gleichmut das Leben verlassen zu können.“
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Der Teufel, oder sagen wie vornehm modern das Böse, haben gegenwärtig keine Presse, denn beides gibt es einfach nicht. Entweder wird die riesige Kategorie des Bösen verharmlost, oder verdrängt. Aber damit bleibt das Böse ungelöst. Ist das Böse etwa nur die Aggression oder ein destruktiver Trieb? Den Teufel kann es freuen, wenn wir so denken. Das stört ihn nicht, im Gegenteil, seine Geschäfte laufen umso besser, wenn er nicht erkannt ist. Er ist nämlich ganz und gar nicht eitel, er arbeitet am liebsten unbemerkt und schätzt die Verborgenheit.
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Der moderne Mensch tut sich schwer mit der Kunst des Verweilens, schnell langweilt er sich dabei und versucht alles, um dieser Langeweile zu entkommen. Bedenklich ist nicht, das der Mensch sich langweilt, das unterscheidet ihn schließlich vom Tier, sondern das er ständig versucht sich davon abzulenken und zu zerstreuen.
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Schon bei den griechischen Göttern bewirkte die Liebe Katastrophen, Unheil, Chaos und Entsetzen. Man denke nur an den Trojanischen Krieg, der sich dem Raub der Helena verdankt, in die sich Paris verliebt hatte. Das Pech war nur, das diese schon mit Menelaos verheiratet war, und dieser sich die Entführung seines rechtmäßig angetrauten Eheweibes nicht gefallen ließ.
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Auch der Philosophische Praktiker darf sich nicht anmaßen zu wissen, worauf es im Leben ankommt. Aber er hat mächtige Gestalten und Vorbilder an der Hand, die durch ihre Beispiele und ihre Lebensgeschichten Winke und Hinweise geben, was darunter verstanden werden könnte. Insofern stehe ich auf mächtigen Schultern, was bei diesem nicht gerade bescheidenen Thema auch notwendig ist. Die Frage, worauf es ankommt, ist die eigentliche philosophische Frage. Diese Frage kann nicht durch Wissen und Können allein beantwortet werden, sondern nur der eigene Lebensweg, auf dem ich mich zu bewähren habe, kann Antworten geben.
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Salons sind „Zusammenkünfte des vernünftigen Teils der Stadt“, meint der Aufklärer Joseph von Sonnenfels. In Wien entsteht das Salonleben in den 70er-Jahren des 18. Jahrhunderts. Ursprünglich eine Sache des Adels wird es im Gefolge der Aufklärung zu einer Sache des gehobenen Bürgertums. Vorwiegend Frauen versammelten in den Salons die geistigen Größen der Zeit: Künstler, Dichter, Schauspieler, Maler, Komponisten, aber auch Politiker, Philosophen und Wissenschaftler.
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John Maynard Keynes (1883-1946), einflussreichster Ökonom des 20. Jahrhunderts, hielt 1928 vor Studenten in Cambridge einen Vortrag mit dem Titel „Wirtschaftliche Möglichkeiten für unsere Enkelkinder.“ Dieser Aufsatz wurde praktisch völlig ignoriert, er enthält aber eine Prophezeiung, die uns heutige Menschen interessieren sollte. Keynes glaubte, das in hundert Jahren (also fast heute) unsere notwendigen Bedürfnisse mit einem minimalen Arbeitsaufwand befriedigt werden können, und wir fähig werden, in der verbliebenen Zeit weise, angenehm und gut zu leben. Dabei ging Keynes von der Vorstellung aus, dass unsere Bedürfnisse endlich sind, und die Menschen sich entscheiden, dass sie nicht mehr wollen, als sie brauchen.
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Bereits Augustinus (354-430), die älteste und größte Autorität in Sachen Bekenntnisse, geht davon aus, dass der Blick ins eigene Innere wie nichts anderes Aufschluss gebe über den Menschen im Allgemeinen. Autobiographie wird durch ihn zur vornehmsten Menschenkunde. Erst in der Selbstvergewisserung, durch den Blick in sich selbst wird der Mensch zum Menschen. Michel de Montaigne (1533-1592) führt die Literatur der Bekenntnisse mit seinen Essays weiter. Zu Beginn richtet er folgende Worte „An den Leser“:
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„Ich habe nichts gegen Gemeinschaft, solange ich nicht dazugehöre“, dieser Ausspruch von Groucho Marx ist nur auf den ersten Blick komisch. Beschäftigt man sich näher mit Gemeinschaften, dann können diese durchaus ambivalent gesehen werden. Gemeinschaften sind weder nur idyllisch, noch nur dramatisch, weder nur konfliktfrei, noch Hort ständiger Konflikte. Gemeinschaften können Familien, Schulklassen, Teams, Wohngemeinschaften, Freundschaften sein, also sowohl Menschen, die sich ungewollt zusammen vorfinden, als auch solche, die sich gewollt zusammengetan haben. Jedenfalls scheinen die meisten Menschen Wert darauf zu legen, irgendwo dazuzugehören.
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Grundsätze, Maßstäbe und Prinzipien stehen in schlechtem Ansehen, gelten als unzeitgemäß. Vor Augen steht der Spießbürger, der hartnäckig seine verstaubten Grundsätze verteidigt. Oscar Wilde bemerkte: „Mir gefallen Menschen besser als Prinzipien, und Menschen ohne Prinzipien sind das Beste, was ich kenne in der Welt.“ Ungeachtet dessen, das diese Aussage selbst einen Grundsatz darstellt, ist damit auch der heutige Allerweltsmensch karikiert, der flexibel und anpassungsfähig zu sein hat, den Grundsätze nur stören würden.
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Nietzsche ist in aller Munde und wird sogar auf den Universitäten gelehrt. Aber haben wir uns heute nicht gerade in dem eingerichtet, was Nietzsche als Problem sah? Sehen wir uns ein paar Beispiele an. Ist die Bedeutung seiner Aussage „Gott ist tot“ wirklich verstanden worden? Unser fröhlicher Nihilismus ist uns kein Problem mehr. Wir fragen nicht nach den Konsequenzen dieser „neuen Morgenröte.
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Philosophie ist seit langer Zeit eine akademische Disziplin, in der sich Experten, Fachmenschen und Professoren tummeln. Das ist auch gut so. Aber Philosophie war immer auch schon eine Disziplin, die keine Disziplin war. Denken wir an Sokrates, das Urbild der Philosophen. Er war kein Lehrstuhlinhaber und hat sein Leben lang Gespräche mit Laien über Fragen des Lebens geführt. In der gesamten Antike wurde die Philosophie als Angelegenheit des Lebens betrachtet.
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Philosophische Lebensberatung ist eine Alternative zur Psychologie, zur Therapie und zum Coaching. Sie ist eine Einrichtung für Menschen, die Sorgen und Probleme quälen, die mit ihrem Leben nicht zurechtkommen oder meinen, sie seien irgendwie stecken geblieben; die von Fragen bedrängt werden, die sie weder lösen noch loswerden, die sich im Alltagsleben mehr oder weniger bewähren, sich aber in vorerst unbestimmter Weise unterfordert fühlen – weil sie etwa ahnen, dass ihre Lebenswirklichkeit nicht ihren Möglichkeiten entspricht.
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Mit dem guten Leben wird normalerweise nichts Philosophisches verbunden. Aus der schönen Literatur und der „Wellness-Gesellschaft“ gibt es zuhauf Hinweise, was damit gemeint sein könnte, nämlich auf eine Formel gebracht: Es uns gut gehen lassen. Nicht das daran etwas auszusetzen wäre, aber das gute Leben wurde in der Philosophie immer auch mit Fragen der Ethik in Verbindung gebracht. Was ist überhaupt Ethik? Ethik ist das philosophische Nachdenken über Moral, Sittlichkeit, Vorstellungen von gut und schlecht. Sie fragt, ob eigentlich gut ist, was wir für gut halten. Oder andersherum: Ethik erklärt unsere Moral zum Problem. Sie setzt ein Fragezeichen hinter das, was uns moralisch erscheint. Solche Fragen können unangenehm sein, denn gewöhnlich werden wir lieber in dem Guten, das wir wollen oder tun, bestätigt.
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„Was kümmern sich die Menschen denn um Geist. Die meisten Menschen sind und bleiben doch unbedingt Tierwesen“, klagt Kierkegaard in seinen Tagebüchern. Aristoteles begründete ein Verständnis vom Menschen als geistiges Wesen. Für Seneca ist der Geist in uns der Gott in uns. Sokrates sprach von einer göttlichen Stimme, der er Gehör schenkte (Daimon), und die ihm von Dingen abriet. Wir würden heute dazu schlechtes Gewissen sagen, das uns von etwas abhält. Geist ist in der Antike und im Christentum die Empfänglichkeit für die Stimme Gottes. Ein geistiges Leben wurde als gottgewolltes und vernünftiges Leben angesehen. Mit Geist ist für fromme Gemüter eine Erreichbarkeit von und für Gott gemeint, in der Philosophie sprach man von Weisheit und Gerechtigkeit, die der Geist bewirkte.
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Camus berühmtester Satz lautet: „Es gibt nur ein wirklich ernstes philosophisches Problem: Der Selbstmord.“ Wer könnte dazu seine Zustimmung verweigern? Doch schon sein Zusatz ist problematisch: „Die Entscheidung, ob das Leben sich lohne oder nicht, beantwortet die Philosophie.“ In Wirklichkeit gab es im Laufe der Zeiten die verschiedensten Einschätzungen zum Selbstmord. In der Antike galt der Selbstmord fast schon als Pflicht, zumindest unter bestimmten Umständen. Wenn der Feind siegte, brachte sich die ganze Familie um. Einer lebensbedrohenden Krankheit oder großem Leiden wurde oft mit Selbsttötung begegnet. Als oberstes Prinzip galt es, keine Angst vor dem Sterben zu haben. Alles andere wurde als Sklavenmoral angesehen. Der Selbstmord stand allgemein in höchstem Ansehen.
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Philosophie hat als Lebenspraxis und Lebenskunst eine lange Tradition. Mit dem Urahn Sokrates begann die Philosophie mit dem Ereignis einer Person und nicht mit einer Lehre. Die Wirkung der Philosophie ging von Anfang von der konkreten Gestalt des Philosophen aus. Philosoph war, wer philosophisch lebte. Sehr früh wurde die Philosophie mit ärztlicher Kunst verknüpft: Philosophie als Seelenheilkunde. Seit der Antike wurde die Philosophie als Angelegenheit des Lebens betrachtet. Wichtige Schulen, die sich auf Sokrates beriefen, waren die Stoiker, die Epikuräer, die Skeptiker und die Kyniker.
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Die Liebe ist keine Klugheit, sondern der ungeheuerlichste Widerspruch. Sie kann göttlich, leidenschaftlich-romantisch, treu, vernünftig und sinnlich sein. Wir wollen alles das in der Liebe erleben. Wie aber kann man all diese Widersprüche vereinen? Wie müsste man die Liebe denken und leben, damit dies möglich ist?
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In der modernen Welt sind die Spezialisten unverzichtbar geworden. Es gibt einen Fachmann, eine Fachfrau für jedes Problem. Andererseits nimmt das gesicherte Wissen ab, und zunehmend sind Spezialisten überfordert. Spezialisten können das Ganze nicht in den Blick nehmen, sind Teil des Problems das sie lösen wollen. Sie glauben an die Machbarkeit, Methodisierbarkeit und Technisierbarkeit.
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Im Mittelpunkt der modernen Gesellschaft steht die Selbstverwirklichung. Sucht man nach einer Definition, dann liest man (Wikipedia), das es um die Realisierung der eigenen Ziele, Sehnsüchte, Wünsche und Bedürfnisse gehe, und das eigene Wesen bestmöglich zur Entfaltung zu bringen sei.
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In Beratungen höre ich oft die Schicksalsfrage „Warum ich“? Sie taucht nicht auf, wenn uns Angenehmes oder Beglückendes widerfährt, sondern in problematischen Lebenssituationen: Eine Krankheit, ein Unfall, eine Entlassung, ein Verlassenwerden trifft uns. Dann stellt sich diese Frage: Warum musste mir, ausgerechnet mir das passieren? Gewöhnlich wird diese Frage also in schweren Lagen, die wir irgendwie nicht fassen können, gestellt.
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Keine Angst. Bei der Bildung im Sinne der Philosophischen Praxis geht es nicht um abgehobene Theorien, staubiges Bücherwissen oder das Wiederkäuen von bereits Gedachten. Nietzsche schrieb über Gebildete dieses Typs:
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Die Langsamkeit, die Muße und die Stille passen nicht in unser Online-Zeitalter. Der Kapitalismus, die Geldwirtschaft, die Medien, der Verkehr, das Internet, alle Gesellschaftsbereiche unterliegen dem Tempodiktat. Es ist deshalb sehr schwer, über Entschleunigung zu sprechen oder zu schreiben, weil man zunächst selbst still geworden und zur Ruhe gefunden haben müsste, um sich belangvoll darüber zu äußern. Man müsste sich selber schon aus dem uns umgebenden Wirbel herausgedreht haben, um ruhige Gedanken zu fassen. Nur ein Nachdenken, das zur Besinnung und Besonnenheit geworden ist, würde dem Thema der Entschleunigung gerecht werden. Nur jemand, der „die Entdeckung der Langsamkeit“ in seinem Leben erfahren hat, könnte berufen darüber berichten.
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Romantik. Die radikalste Bewegung des deutschen Geistes: Kant, Fichte, Hegel, Schelling, Schleiermacher in der Philosophie. Schlegel, Hölderlin, Novalis, Goethe, Schiller, Tieck, Eichendorff, E.T.A. Hoffmann, Heine in der Literatur. Wer kennt nicht diese Namen. Doch was wollten die Romantiker?
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Schopenhauer wurde als junger Mann auf einer Bildungsreise, die er mit seinem Vater unternahm, vom Massenelend der beginnenden Industriegesellschaft beeindruckt. „Vom Jammer des Lebens ergriffen“ nahm er diesen als Ansatzpunkt seiner Philosophie: Eine Welt, die offensichtlich eine Welt des Leidens und des Schmerzes ist, zu verstehen. Seine ganze Philosophie besteht aus einem einzigen Gedanken, der in einem einzigen Hauptwerk, das er immer wieder erweitert und ergänzt, niederschreibt. Dieses Hauptwerk, „Die Welt als Wille und Vorstellung“, das 1818 erscheint, wird so gut wie gar nicht zur Kenntnis genommen. Erst 30 Jahre später ist die erste Auflage von nicht einmal 1.000 Exemplaren verkauft.
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Natürlich gab es vor Sokrates schon Philosophen. Doch die Philosophie nahm mit Sokrates einen neuen Anfang. Am Anfang der Philosophie steht kein Gedankengebäude, kein System, kein Wissen, sondern eine Erschütterung, die eine nachhaltige Wirkung auf andere ausgeübt hat. Sokrates war ein Ereignis, das eine verändernde Wirkung auslöste.
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Nietzsche, der einen Philosophen danach bewertete, als er imstande ist, ein Beispiel zu geben, schrieb in seiner zweiten „Unzeitgemäßen Betrachtung“ über Montaigne:„Dass ein solcher Mensch geschrieben hat, dadurch ist wahrlich die Lust auf dieser Erde zu leben vermehrt worden. Mir wenigstens geht es seit dem Bekanntwerden mit dieser freiesten und kräftigsten Seele so, dass ich sagen muss, kaum habe ich einen Blick auf ihn geworfen, so ist mir ein Bein oder ein Flügel gewachsen. Mit ihm würde ich es halten, wenn die Aufgabe gestellt wäre, es sich auf der Erde heimisch zu machen“.
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Seneca wurde um das Jahr 0 in Cordoba (Spanien) geboren, das damals römische Provinz war. Vielleicht ein oder zwei Jahre vorher, so genau weiß man das nicht. Auf alle Fälle war er ein Zeitgenosse des Nazareners. Er hatte zwei Brüder, von denen der Ältere, Gallio, Bekanntschaft mit Paulus machte. Davon zeugt die Apostelgeschichte. Sein Hauptinteresse war bereits in seiner Jugend die Philosophie. Diese war damals nicht wie heute eine akademische Disziplin, sondern in Philosophenschulen aufgespalten. Seneca bekannte sich zur stoischen Schule. Diese hatte den Auftrag, das Leben zu begleiten, sich um die richtige Lebensführung Gedanken zu machen. Wie Cicero vor ihm, machte er Karriere im Staatsdienst und war der meistgelesenste Schriftsteller seiner Zeit.
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Epiktet war Repräsentant eines stolzen Menschenbildes. Er lebte von 50-120 n. Chr. Zu einer Zeit also, wo sich das Christentum begann auszubreiten. Der Stolz wurde sehr schnell als Todsünde und eitle Anmaßung des Menschen verworfen. Dieser Stolz, sein Leben selbst zu gestalten, die Freiheit, die eigene Meinung restlos zu behaupten, die eigentliche Freiheit, war für die Christen ein rotes Tuch.
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Blaise Pascal (1623-1662), Naturwissenschaftler, Mathematiker, Erfinder, Philosoph, war ein unvergleichliches Genie. Obwohl er ein moderner, nüchterner, wissenschaftlich denkender Mensch war, sah er als einer der ersten, zu Beginn der Neuzeit, die Unheimlichkeit und Problematik einer falsch verstandenen Wissenschaft. Einer Wissenschaft, die keine Grenzen kennt, die sich von ihren Fragestellungen verselbständigt hat, keine Verantwortungen kennt.
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Aristoteles (384-322 v.Chr.) wurde 15 Jahre nach dem Prozess geboren, der Sokrates zum Tode verurteilte (399 v.Chr.). Er war ein Schüler von Platon, und gleichzeitig ein Gegenspieler von ihm. Ganz grob kann man sagen, dass Platon ein Idealist war, dem es um die Erfassung der Ideen ging (Ideenlehre), während Aristoteles als Empiriker bezeichnet werden kann. Er suchte nach umfassender Weltkenntnis und sah die Wissenschaft als zuständig für das Ganze. Obwohl er schon einzelne Wissenschaftsdisziplinen schuf (Rhetorik, Metaphysik, Logik, Politik, Ethik, Poetik, Ökonomie), sah er doch noch die Welt, im Gegensatz zur modernen Wissenschaft, im Zusammenhang. Er legte mit seinem Denken, was es heißt zu Argumentieren, zu Schließen, Begriffe zu bilden und vor allem mit seiner Denkhaltung, die Grundlage der Wissenschaft. Er war bis in die Neuzeit die geistige Autorität für das, was als Wissenschaft zu gelten hatte.
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Nietzsche schildert in „Also sprach Zarathustra“ den letzten Menschen. Hat sich Nietzsche schon in seinen früheren Werken, wie „Morgenröte“, „Menschliches Allzumenschliches“ und „die Fröhliche Wissenschaft“ als feinster Diagnostiker unserer modernen Gesellschaft erwiesen, so charakterisiert er mit dem letzten Menschen den modernen Menschen als solchen. Es ist der gegenwärtige Mensch.
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Cicero (106-43 v. Chr.) war nicht nur Philosoph, sondern auch Staatsmann, Anwalt und Rhetoriker. Er war ein Zeitgenosse Caesars und durch seine republikanischen Ansichten auch sein Gegenspieler. Der römische Staat war zu seiner Zeit sehr unsicher geworden und wurde nicht mehr von den Menschen getragen. Dies ist eine Parallele zu heute. Caesar machte das römische Reich stark und befestigte es, während Cicero sich aus der Politik zurückzog, aber an der Republik festhielt. Als Caesar umgebracht worden war, glaubte Cicero, dass die Republik eine neue Auferstehung feiern würde. Er wollte damit einen verfallenen Prozess retten. Aber für die alte Republik gab es keine Rettung mehr, sie war durch Korruptionen, einer Brot und Spiele – Politik und einer Entfremdung des Staates von den Bürgern machtlos geworden. Gegen diese Schattenrepublik hatte sich Caesar gewendet. Sein Tod änderte nichts. Seine Nachfolger wurden Kaiser.
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Auch wenn fälschlicherweise oft angenommen wird, die Philosophische Praxis habe mit der Suche nach dem Sinn zu tun, die Frage nach dem Sinn des Lebens wird von ihr nicht abgewiesen. Immer wieder kommen Menschen in die Beratung, weil sie Schwierigkeiten mit diesem Thema haben, oder unter Sinnlosigkeit leiden. Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist nicht neu. Nur nach dem Wortlaut, der stammt nämlich aus dem 19. Jahrhundert. Der Sache nach ist die Frage sehr alt. Was meinen wir eigentlich, wenn wir diese Frage stellen? Wir meinen, in einer ersten Bedeutung, Sinn kommt einem Ding, einem Sachverhalt oder einer Handlung hinzu. Etwas ist zweckvoll in Hinblick auf seinen Zweck. Zum Beispiel ist ein Hammer sinnvoll in Bezug auf seinen Zweck, Nägel einzuschlagen. Wenn der Stiel fehlt, ist der Hammer sinnlos. Menschen betrachten sich oft als sinnvoll, wenn sie zweckvoll sind.
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Ich habe mir etwas wahrscheinlich Verrücktes vorgenommen. In lockerer Folge werde ich einen Gang, eine Reise, zu den maßgeblichen Stationen des philosophischen Geistes unternehmen. Nicht in ordentlich universitär philosophiegeschichtlicher Art und Weise, sondern ich werde den praktischen Philosophen und Philosophien entlocken, was diese unserem gegenwärtigen Zeitalter und uns postmodernen Menschen zu sagen haben.
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