Impulse
2019

Der Liberalismus beförderte ein neues Verständnis von Freiheit. In der Antike und während der langen Herrschaft des Christentums bedeutete Freiheit nicht, „zu tun, was man sich wünschte, sondern den richtigen und tugendhaften Weg zu wählen.“ „Frei zu sein bedeutete vor allem, frei zu sein von der Versklavung durch die eigenen niedersten Bedürfnisse.“ (Patrick J. Deneen).
weiterlesen
„Jedes Jahrhundert hat einen Geist, den es kennzeichnet. Der Geist des unseren scheint der Geist der Freiheit zu sein.Die erste Attacke gegen den Aberglauben ist heftig und maßlos gewesen, aber wenn die Menschen einmal gewagt haben, den Schutzwall der Religion anzugreifen, dann ist kein Halten mehr. Haben sie erst drohende Blicke gegen die Majestät des Himmels gerichtet, dann werden sie alsbald diese Blicke auf die Herrschaftsverhältnisse der Erde richten. Das Tau, das die Menschheit festhält, ist aus zwei Seilen gemacht: Das eine kann nicht nachgeben, ohne das das andere zerreißt. Das ist unsere gegenwärtige Lage. Wer vermag zu sagen, wohin sie uns führt. Wir nähern uns einer Krise, die auf Sklaverei oder Freiheit hinauslaufen wird.Auf folgende Überlegung wäre ich früher nie gekommen: Es ist tausendmal leichter, dass ein aufgeklärtes Volk zur Barbarei zurückkehrt, als dass ein barbarisches Volk auch nur einen Schritt auf die Zivilisation hin tut.Es scheint, dass alles, das Gute wie das Schlechte, seine Zeit der Reife hat. Wenn das Gute seinen Zenit überschritten hat,, wandelt es sich zum Schlechten, das Schlechte wandelt sich am Tiefpunkt zum Besseren.“ (Diderot, 1771).
weiterlesen
Es geht um das Unabwendbare und wie man damit inneren Frieden schließt. Früher schien man sich besser in das Unabwendbare schicken zu können. Der Volksmund sagte dazu: Es ist, wie es ist. Heute glaubt man, gegen alles ein Mittelchen zu haben und versäumt gerade damit das Einüben in eine notwendige Resignation.
weiterlesen
Wir seien zur Wahrheit fähig. Kann man diese Haltung noch vertreten? Die berühmteste Version zur Wahrheitsfrage ist die Szene, in der Pilatus dem Jesus von Nazareth die Frage gestellt hat: Was ist Wahrheit? Für jenen Menschensohn ist die Wahrheit bei Gott. Die Streichung Gottes hatte für die Wahrheitsfrage gewaltige Folgen. Hans Blumenberg dazu: „Die Wahrheit der Erkenntnis beruht nicht mehr darauf, dass sie Gott geschaffen hat, sondern darauf, dass es der Mensch schaffen könnte. Die wissenschaftliche Erkenntnis ist entwerfend, nicht vernehmend. Die Natur antwortet auf unsere Hypothesen.“
weiterlesen
Auch wenn es vergessen scheint: Neben der Bibel und dem Christentum ist die antike griechische Mythologie der entscheidende Ausgangspunkt für die Entwicklung der europäischen Kultur. Aber auch Mythen und Religionen unterliegen dem Verfall, wobei Götter und Mythen nicht sterben, sie wandeln nur ihre Gestalt. Sie sind wie ein Baum, der im Winter die Blätter verliert, die im Frühling wieder neu wachsen. Ihre Urbilder bleiben erhalten. Hans Blumenberg, meinte in seiner umfangreichen Studie „Arbeit am Mythos“, der Mythos sei nichts Abgelegtes oder Erledigtes. Jeder Mythos ist immer schon gewesen und wirkt bis in die Gegenwart.
weiterlesen
In diesem Mai-Programm haben die Frauen das Sagen. Zugegeben, wird auch dem „Vater aller Philosophie“ – Sokrates – ein wenig Platz eingeräumt, aber wenn man an die Kultur der Salons erinnert, wird bald klar: Der Salon war ein Refugium der Frauen. Die Salons der Aufklärung und der Romantik waren kulturelle Freiräume, Enklaven des Geistes, Freiräume des Denkens und der Begegnung. Mit ihnen wandelte sich auch die Stellung der Frauen, zumindest gesellschaftlich. Die Konversation wurde zum entscheidenden Moment der Salonkultur. Einige Frauen brachten es zu einer Meisterschaft der Gesprächskunst und der brillanten Dialoge.
weiterlesen
„Der Mensch muss mit dem Problem des Leidens fertig werden. Der östliche Mensch will sich des Leidens entledigen, indem er das Leiden abstreift. Der abendländische Mensch versucht, das Leiden durch Drogen zu unterdrücken. Aber das Leiden muss überwunden werden, und überwunden wird es nur, indem man es trägt.“ (C.G. Jung)
weiterlesen
„Wer keine Ähnlichkeit zwischen sich und dem anderen erkennt, wer nur das Fremde und Böse und nicht das Eigene sieht, der sei dazu verurteilt, es dem Feinde gleich zu tun. Nur wenn wir das Böse als Teil unserer selbst anerkennen können, wir also eingestehen, dass wir dem Feinde gewissermaßen ähnlich sind, unterscheiden wir uns von ihm. Halte ich mich für anders, bin ich vom gleichen Schlag. Halte ich mich für gleich, bin ich anders.“ (Todorov)
weiterlesen
„Was die kleine Momo konnte wie kein anderer, das war zuhören. Das ist doch nichts Besonderes, wird nun vielleicht mancher Leser sagen, zuhören kann doch jeder. Aber das ist ein Irrtum. Wirklich zuhören können nur ganz wenige Menschen. Und so wie Momo sich aufs Zuhören verstand, war es ganz und gar einmalig. Dabei schaute sie den anderen mit ihren großen, dunklen Augen an, und der Betreffende fühlte, wie ihm einmal Gedanken auftauchten, von denen er nie geahnt hatte, dass sie in ihm steckten. Sie konnte so zuhören, dass ratlose oder unentschlossene Leute auf einmal ganz genau wussten, was sie wollten. Oder dass Schüchterne sich plötzlich frei und mutig fühlten. Oder dass Unglückliche und Bedrückte zuversichtlich und froh wurden. Und wenn jemand meinte, sein Leben sei ganz verfehlt und bedeutungslos, und er selbst nur irgendeiner unter Millionen, einer, auf den es überhaupt nicht ankommt und der ebenso schnell ersetzt werden kann wie ein kaputter Topf – und er ging hin und erzählte alles der kleinen Momo, dann wurde ihm, noch während er redete, auf geheimnisvolle Weise klar, dass er sich gründlich irrte, dass es ihn, genauso wie er war, unter allen Menschen nur ein einziges Mal gab und dass er deshalb auf seine besondere Weise für die Welt wichtig war. So konnte Momo zuhören.“ (Momo, Michael Ende).
weiterlesen
„Man nennt sie Rechtsradikale oder Neonazis; damit glaubt man zu wissen, was von ihnen zu halten ist. Aber auch hier ist die Ideologie bloße Maskerade. Der jugendliche Mörder, der Jagd auf Wehrlose macht, gibt, nach seinen Motiven gefragt, folgende Auskünfte: „Ich habe mir nichts dabei gedacht. Mir war langweilig. Die Ausländer waren mir irgendwie (!) unangenehm.“ Das genügt. Vom Nationalsozialismus weiß er nichts. Die Geschichte interessiert ihn nicht. Hakenkreuz und Hitlergruß sind beliebige Requisiten.“ (Hans Magnus Enzensberger, Aussichten auf den Bürgerkrieg).„Der Linke, das weiß man, hat vor allem recht. Er misst sich ja andauernd an seinem Gegenteil, dem Rechten. Und er wäre wohl kein Linker, wenn er nicht glaubte, recht zu haben gegenüber seinem Gegenteil. Aber was den Linken besonders auszeichnet: Er hat nicht nur recht, sondern er ist auch der bessere Mensch. Aber sicher bin ich nicht, dass der Rechte nicht genauso recht hat wie der Linke und sich auch für den besseren Menschen hält.“ (Martin Walser, Deutsche Sorgen).
weiterlesen