Pascal Was heißt: „Mit dem Herzen denken“?

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Blaise Pascal (1623-1662), Naturwissenschaftler, Mathematiker, Erfinder, Philosoph, war ein unvergleichliches Genie. Obwohl er ein moderner, nüchterner, wissenschaftlich denkender Mensch war, sah er als einer der ersten, zu Beginn der Neuzeit, die Unheimlichkeit und Problematik einer falsch verstandenen Wissenschaft. Einer Wissenschaft, die keine Grenzen kennt, die sich von ihren Fragestellungen verselbständigt hat, keine Verantwortungen kennt.

Wenn Erwin Chargaff schreibt, „das Tiefe kein Vorteil ist, wenn darunter kein Boden ist“, oder das jede Tätigkeit, denjenigen, der sie ausübt, besser, leuchtender, machen solle“, dann beruft er sich auf Grundgedanken von Pascal.

Pascal war in seiner Kritik und Skepsis gegenüber der aufkommenden Moderne der große Gegenspieler Descartes, der ein Zeitgenosse von ihm war. Descartes etablierte ein Wissenschaftsverständnis, das nur dasjenige als wahr anerkennen sollte, das klar und deutlich ist. Seine einzige Form des Denkens war die Widerspruchsfreiheit.

Francis Bacon trieb diese Form des Modernitätsdenkens auf die Spitze als er schrieb: „Der Natur sollen ihre Geheimnisse entrissen werden, wie einer Hexe ihr Geständnis.“ In der Moderne hat sich letztendlich das Denken von Descartes durchgesetzt.

Pascal war ebenfalls einer der ersten modernen Denker, aber nicht im Sinne Descartes. Er sah bereits damals schon die Vergewaltigung der Natur und die Problematik einer Wissenschaft, die Rätsel nicht anerkennen und bewahren kann.

Was war die Besonderheit Pascals? Indem er das Herz als Erkenntnisorgan würdigte, entthronte er die Fundamente, auf denen die religiöse Wahrheit ruhte: Die Traditionen (Autorität) und die Bibel. Das Organ, das Gott erfährt, das von Gott höchstpersönlich angesprochen wird, ist das Herz. Damit war für ihn kein diffuses Gefühl gemeint, sondern eine innere Gewissheit.

In seinem berühmten Zettelwerk „Gedanken“ steht der berühmte Aphorismus über die Vernunft des Herzens:

„Das Herz hat seine Gründe, die die Vernunft nicht kennt.“

Man müsste genauer sagen, ganz und gar nicht kennt, von denen die Vernunft nichts ahnt. Diejenigen, die nur die Vernunft kennen, ahnen gar nicht, was sie nicht kennen. Mit diesen Aussagen war er geradezu ein Anti-Descartes. Im angesprochenen Aphorismus frägt er seine Leser: „Ist die Vernunft der Grund, dass ihr euch selbst liebt“?

Für Pascal gibt es eine Logik/Ordnung der Vernunft, die auf Grundsätze und Beweise aufbaut. Daneben aber gibt es auch eine Logik/Vernunft des Herzens. Liebe lässt sich eben nicht durch Argumente oder Beweise herbeiführen. Wenn das Herz nicht mitmacht, dann kann die Vernunft machen, was sie will.

Pascal: „Es ist ebenso unnütz wie lächerlich, wenn die Vernunft, um zuzustimmen, vom Herzen Beweise für seine ersten Prinzipien verlangt, wie es lächerlich sein würde, wenn das Herz von der Vernunft ein Gefühl fordern würde.“

Das Herz ist ein Beziehungsorgan. Christus und Paulus wollten nicht unterrichten, sondern entzünden. Ja, das Herz ist das Organ, das Feuer fängt. Während der Verstand sich auseinandersetzt, will das Herz einen Zugang finden. Es will angesprochen werden, es reagiert. Wenn das Herz fehlt, dann geht es nur um Fakten, auf die wir uns beziehen, die uns aber nichts mehr sagen.

Wittgenstein bringt eine Kurzfassung Pascals, wenn er in seinem Tractatus schreibt: „Selbst wenn alle möglichen Fragen beantwortet sind, sind unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt.“

Pascal ist auch in der Postmoderne angekommen. Paul Feyerabend: „Was hilft ein Argument, das die Menschen kalt lässt“? Das Organ das dann kalt bleibt ist das Herz.

 

Reine Sachlichkeit ist den Sachen nicht angemessen. Für den Aufbau von Beziehungen braucht der Mensch das Herz als Erkenntnisorgan. Es ist das Geheimnis des Lebendigen. Erst das Herz und die Vernunft gemeinsam machen den Menschen aus. Ohne Herz ist der Mensch unmenschlich.

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