Warum ich? Die oft geäußerte Schick­sals­fra­ge

Impuls

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In Beratungen höre ich oft die Schicksalsfrage „Warum ich“? Sie taucht nicht auf, wenn uns Angenehmes oder Beglückendes widerfährt, sondern in problematischen Lebenssituationen: Eine Krankheit, ein Unfall, eine Entlassung, ein Verlassenwerden trifft uns. Dann stellt sich diese Frage: Warum musste mir, ausgerechnet mir das passieren? Gewöhnlich wird diese Frage also in schweren Lagen, die wir irgendwie nicht fassen können, gestellt.

Erst mit dem Stellen dieser Schicksalsfragen können bestimmte Dinge im Leben und in den Lebensumständen bemerkt werden. Es sind in der Regel Versuche, sich mit dem Schicksal zu versöhnen. Schicksalsschläge nötigen zur Interpretation, zum Verstehen. Ohne jedes Verstehen leiden zu müssen überfordert. Nietzsche hat das mit genialer Schlichtheit ausgesprochen, als er – zum Schluss seiner „Genealogie der Moral“ – sagte, für den Menschen „das tapferste und leidgewohnteste Tier“, sei eigentlich „nicht das Leiden selbst“ das Problem, „sondern das die Antwort fehlte für den Schrei der Frage „wozu leiden“?

Bei der Frage nach dem „wozu Leiden“ oder dem Sinn des Leidens werden wir auf uns selbst zurückgeworfen. In uns selbst  finden wir den Schlüssel, den wir suchen.

Die Menschen haben im Laufe der Zeit die unterschiedlichsten Antworten auf die Frage nach dem „Warum ich“? gegeben: Gott, Zufall, die Lebensumstände. Die psychologische Antwort nach den Lebensumständen liegt heute nahe. Das eigene Leben wird mit Blick auf den besonderen Lebenslauf erklärt. Es wird als bedingt durch seine Geschichte unterstellt: Wir sind, der wir sind, durch unsere Geschichte. Vater und Mutter werden herangezogen, die Geschwister, Ereignisse in unserer Biographie, gesellschaftliche Verhältnisse nicht zu vergessen. Und dieses alles hat mich so werden lassen, wie ich jetzt bin.

Das unbefriedigende an solchen psychologischen Erklärungen aber ist vor allem, dass die Erklärungsgründe allenfalls nötige, keinesfalls hinreichende Bedingungen sind. Wie aber wäre es, wenn mein Leben so wäre, wie es ist, weil ich der bin, der ich bin? Wenn also mein Leben mit mir – und nicht ich mit meinem Leben zu erklären wäre? So haben alle gedacht, die eine Bestimmung des Menschen angenommen haben, dass der eigene Lebensweg von allem Anfang sich so zeigt, wie es dem eigenen Charakter, der Eigenart nach zukommt.

Was im Großen und Ganzen geschieht wäre dann kein Zufall und kein leeres Blatt, das von beliebigen Einflüssen erst beschrieben würde, sondern der Charakter des einzelnen kommt im Laufe des Lebens zutage. In der besonderen Bestimmung eines Ichs wird die Voraussetzung des tatsächlich gelebten Lebens vermutet.

Und eigentlich erst unter dieser Voraussetzung wie sie in der großen Philosophie beispielsweise Schopenhauers oder Schellings zugrunde liegt, wird die Frage „Warum ich“? sinnvoll.

Wer sein Leben aufmerksam betrachtet, wird dann aber gerade nicht  (oder nicht ausschließlich) den Zufall oder die Umstände am Werk sehen, sondern Zusammenhänge und eine gewisse Planmäßigkeit erkennen. Um dies aber zu erkennen, kommt es auf uns an.

Wer sein Leben aufmerksam betrachtet bringt seine eigene Bestimmung zur Erkenntnis, ein Verstehen und eine Einsicht dazu. Nur dann kann Versöhnung mit schrecklichem Unglück und Leid eintreten. Die Philosophische Praxis bemüht sich um das Verstehen, Deuten, Aufklären von schicksalhaften Lebensumständen. Nicht zuletzt der eigene Lebensweg und die eigene Bestimmung können sich so herauskristallisieren. Und darauf kommt es im Leben an.

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