Die Liebe, ihre Kol­li­sio­nen und Kon­fu­sio­nen

Impuls

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Die Liebe ist keine Klugheit, sondern der ungeheuerlichste Widerspruch. Sie kann göttlich, leidenschaftlich-romantisch, treu, vernünftig und sinnlich sein. Wir wollen alles das in der Liebe erleben. Wie aber kann man all diese Widersprüche vereinen? Wie müsste man die Liebe denken und leben, damit dies möglich ist?

Hegel gibt einen ersten Hinweis. Liebe wäre demnach nicht meine Beziehung zum anderen, sondern das Bewusstsein meiner Einheit mit einem anderen. Ich gewinne mich dadurch, dass ich mich an eine andere Person verliere. So gilt ein Kind in der Familie nicht aufgrund einer Leistung, sondern als Familienmitglied.

Hegel beschreibt die Dialektik in der Liebe: Ein Individuum sagt zuerst „Ich bin“, dann vergisst es sich selbst im anderen, worauf es erst (durch den Verzicht auf das eigene Selbst), zu sich selbst zurückfindet. Erst in der Liebe gewinne ich mich selbst.

Der einzelne Mensch ist nur durch das Eingebundensein in die Gemeinschaft das, was er ist. Erst durch die Liebe wird man zum Individuum. Das Individuum findet und stärkt sich durch die Beziehung zu den anderen.

Kollisionen und Konfusionen ergeben sich, wenn ein Individuum autonom vorausgesetzt wird. Hegel definiert daher die Liebe so, dass man kein selbständiger Mensch mehr für sich sein möchte, und wenn dies so wäre, dann würde man sich unvollständig fühlen.

Wir haben die Liebe individualisiert und keinen Begriff mehr von Liebe, der sich nicht in der Leidenschaft erschöpfen würde. Die Liebe wird als Leidenschaft einseitig erhöht und vergöttlicht. Denis de Rougemont erzählt in seinem Buch „Die Liebe und das Abendland“ von der Geburt der leidenschaftlichen Liebe, die im 12. Jahrhundert entstanden ist, und damals ein Überschreiten ins Unendliche, ein Einswerden mit Gott bedeutet hat. Ausgedrückt hat sie sich in der Dichtung der Troubadoure und der höfischen Liebe in der die unglückliche, ewig unbefriedigte Liebe idealisiert und verherrlicht wurde. Das weibliche Prinzip wurde vergöttlicht. Als „Liebe zur Liebe“ und „Liebe bis zum Tod“ wurde der Kult der leidenschaftlichen Liebe ein Mythos, der die größten Werke der Literatur hervorbrachte (Tristan und Isolde, Don Juan, Heloise und Abelard). Die leidenschaftliche Liebe wirkt bis heute, ist aber trivialisiert und verweltlicht worden. Statt mystische Transzendenz wird heute die Erlebnisintensität gesucht (z.B. im sentimentalen Film). Die Leidenschaften wurden säkularisiert. Der Mythos der leidenschaftlichen Liebe feierte seine großartige Wiederauferstehung in der romantischen Liebe.

Der moderne Mensch nun wird von der Leidenschaft der Liebe beherrscht, ohne ihren Ursprung, noch ihr Ende zu kennen. Allzuoft führt die rein leidenschaftliche Liebe, wenn sie tragisch erhöht (vergöttlicht) wird, zu Kollisionen und Konfusionen in der Ehe/Partnerschaft. Die leidenschaftliche Verzückung ist unbeständig, wir sehnen uns aber in der Liebe nach Beständigkeit und Treue. Wie kann man diesem Dilemma entkommen? Wie bringt man die leidenschaftliche Liebe mit der Liebe, die im anderen aufgeht (von der Hegel sprach), ins Gleichgewicht?

Die Liebe als Treue, Tugend, Respekt, Vertrauen und Hingabe muss denselben Stellenwert wie der leidenschaftliche Rausch bekommen. Nur dann kann die Besessenheit der Leidenschaft kanalisiert ohne unterdrückt zu werden. Das verlangt aber von der liebenden Person Haltung und Entscheidung zum und für den anderen. Liebe hat aber dann nicht primär mit persönlichen Glücksvorstellungen und Selbstverwirklichung zu tun, auch nichts mit Konsum, Besitz und Leidenschaft, in der die Beziehung jederzeit offen gehalten oder jederzeit als rückgängig erklärt werden kann.

Liebe soll ein „göttlicher Wahn“ bleiben. Aber dann kommt es genauso darauf an, was wir aus der Liebe machen, als was die Liebe aus uns macht. Der „krankhafte“ Rausch der Leidenschaft gehört genauso zur Liebe wie das heilige, mit kühlem Kopf gegebene Ja zum anderen. Die Kunst bestünde darin, beides zu verbinden.

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