Grund­sät­ze, Maßstäbe, Prin­zi­pi­en Überholt und ewig­gest­rig?

Impuls

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Grundsätze, Maßstäbe und Prinzipien stehen in schlechtem Ansehen, gelten als unzeitgemäß. Vor Augen steht der Spießbürger, der hartnäckig seine verstaubten Grundsätze verteidigt. Oscar Wilde bemerkte: „Mir gefallen Menschen besser als Prinzipien, und Menschen ohne Prinzipien sind das Beste, was ich kenne in der Welt.“ Ungeachtet dessen, das diese Aussage selbst einen Grundsatz darstellt, ist damit auch der heutige Allerweltsmensch karikiert, der flexibel und anpassungsfähig zu sein hat, den Grundsätze nur stören würden.

Es ist nun aber nicht so, dass der moderne Mensch keine Grundsätze oder Maßstäbe hätte, es ist ihm nur das Maß abhanden gekommen, dieselben zu bewerten, ihre  Verbindlichkeit und Gültigkeit anzugeben. Soll beispielsweise militärischer Erfolg oder Menschlichkeit gelten? Ist der Kampf gegen den Terrorismus das Wichtigste und damit jede Abhörmaßnahme legitimiert?

Unsere Zeit hat zur psychologischen Aufweichung von Grundsätzen geführt. Wir neigen dazu, uns von unserem Ist-Zustand zu interpretieren, und nicht wie es sein sollte. Unsere Handlungen lassen unsere Grundsätze erkennen, und nicht mehr prägen Grundsätze unsere Handlungen. Wenn wir aber nur noch bereit sind zu akzeptieren was ist, dann haben es Grundsätze, Maßstäbe und Prinzipien schwer, von uns anerkannt zu werden.

Grundsätze gehen der Wirklichkeit voraus, sie sagen was sein soll. Oft leben wir in Unkenntnis und Täuschung über unsere Grundsätze, die sich aber hinter unserem Rücken durchsetzen. Oft sind es ökonomische Grundsätze, die uns bestimmen.

Ohne Grundsätze, Maßstäbe und Prinzipien geht es nicht. Der Mensch ist das Wesen, das ein Maß nötig hat. Aber anstelle des Normativen hat das Normale Einzug gehalten. Grundsätze werden ausgetrieben. Das Denken und Handeln der anderen wird zum Maßstab.

Die Idee der Aufklärung war es, sich selbst gewissen Grundsätzen und Maßstäben zu unterwerfen. Kant nannte das Selbstgesetzgebung und Autonomie, damit war gerade kein willkürliches Handeln gemeint. Kant: „Menschen, die sich nicht selbst gewissen Regeln unterworfen haben, sind unzuverlässig.“ Dazu die französischen Moralisten: „Menschen ohne Grundsätze sind Menschen ohne Charakter.“

Freiheit und Würde des Menschen bestünde also darin, etwas anzuerkennen, das über uns steht: Grundsätze, Maßstäbe und Prinzipien. Darum ist es wichtig, sich klar zu werden, welchen Grundsätzen ich anhänge, worauf ich mich berufe. Denn sind mir diese durch gewohnheitsmäßige Selbstverpflichtung zur zweiten Natur geworden, dann ist damit mein Charakter und ich als Mensch erkennbar.

Seit Sokrates ist die Philosophie eine Auseinandersetzung mit den „richtigen“ Grundsätzen und dem „richtigen“ Maß. Wir stecken alle in der Sophistik des Protagoras, der behauptete, „der Mensch ist das Maß aller Dinge.“ Damit aber ist sich der Mensch selbst der letzte Zweck mit all seinen Leidenschaften, Wünschen, Privatinteressen, Gefühlen und Nützlichkeitsgründen. Alles ist Ansichtssache, Meinungen herrschen. Beliebigkeit und Relativismus bestimmen. Wie kann der Mensch sich selbst unter Grundsätzen und Maßstäben setzen, von denen er auf sich sehen kann? Da Grundsätze und Maßstäbe auch leicht unmenschlich werden können, muss man es aber damit auch nicht übertreiben. Es muss auch Ausnahmen geben. Das wissen alle Eltern, dass man manche Grundsätze, wenn man sie wirklich hat, auch einmal fallen lassen kann.

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