Her­den­tie­re und Ge­mein­schafts­stüm­per

Impuls

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„Ich habe nichts gegen Gemeinschaft, solange ich nicht dazugehöre“, dieser Ausspruch von Groucho Marx ist nur auf den ersten Blick komisch. Beschäftigt man sich näher mit Gemeinschaften, dann können diese durchaus ambivalent gesehen werden. Gemeinschaften sind weder nur idyllisch, noch nur dramatisch, weder nur konfliktfrei, noch Hort ständiger Konflikte. Gemeinschaften können Familien, Schulklassen, Teams, Wohngemeinschaften, Freundschaften sein, also sowohl Menschen, die sich ungewollt zusammen vorfinden, als auch solche, die sich gewollt zusammengetan haben. Jedenfalls scheinen die meisten Menschen Wert darauf zu legen, irgendwo dazuzugehören.

Unbestritten ist die Bereicherung, die man in einer Gemeinschaft erfahren kann, in der Freundschaft beispielsweise, oder in einer Wohngemeinschaft. Gesellschaften brauchen funktionierende Gemeinschaften. Vereinzelte Individuen machen keinen Staat. Der einzelne Staat ist heute auch auf Gemeinschaft mit anderen Staaten angewiesen (Stichwort Europäische Union). Herausforderungen wie der Klimawandel, Einwanderung, Datensicherung, Terroristenbekämpfung können nur gemeinsam gelöst werden.

Aber es braucht auch den Außenseiter, der zu keiner Gruppe gehört, der sich nicht fürchtet, allein zu bleiben, auch nicht mit seiner Meinung. Kierkegaard sprach von der Angst, ein Einzelner zu sein. Diese ist auch in unserer individualistischen Gesellschaft vorhanden, in der das Team und die Gruppe beschworen, der Einzelne oft als eigensinnig, oder als schrulliger Sonderling bezeichnet wird.

Schon Seneca warnte davor, „nicht nach der Art des Herdenviehs der vorauslaufenden Schar zu folgen: wir würden dann nur den meist betretenen, nicht aber den richtigen Weg wählen.“ So wichtig die Freundschaft mit anderen in der Antike genommen wurde, die Freundschaft mit sich selbst wurde als Voraussetzung für Freundschafts – und Gemeinschaftsfähigkeit gesehen.

Viel Wertvolles ging immer wieder von Außenseitern aus, die gerade wegen ihrer Fremdheit und Andersartigkeit von der Masse bewundert wurden. So schreibt Sigmund Freud zu Beginn seiner Schrift „Das Unbehagen in der Kultur“: „Es gibt einzelne Menschen, denen sich die Verehrung ihrer Zeitgenossen nicht versagt, obwohl ihre Größe auf Eigenschaften und Leistungen ruht, die den Zielen und Idealen der Menge durchaus fremd sind.“

In jüngster Zeit beklagt Botho Strauß in seinem Buch „Lichter des Toren. Der Idiot und seine Zeit“, das „zu Beginn des 21. Jahrhunderts der Typus des Außenseiters aus Gesellschaft wie Literatur so gut wie verschwunden ist.“ Die Einzelgänger hätten heute „keinerlei Nimbus“ mehr und gälten den meisten nur noch als „schrullige Figuren.“ Sein Fazit: Die Zeit der Bewunderung des Einzelnen geht zu Ende und das bedeutet einen kulturellen Bruch gegenüber früheren Zeiten. Er beobachtet eine Anpassung zum Populären, zur Quote, hin zum Interesse der meisten. Die Einzelnen werden sich in Absonderung einrichten müssen.

Wie immer man das Verhältnis zwischen Einzelnen und Gemeinschaft sieht, sowohl das Leben des Außenseiters als auch das Leben in Gemeinschaft verlangen vom Menschen Könnerschaft, wenn es denn gelingen soll.

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