Schreckliche Freiheit Sich selber umbringen
Impuls
Eine entscheidende Veränderung brachte das Christentum. Mit ihm kam eine geistige Haltung in die Welt, die den Selbstmord absolut und radikal verwirft. Die ersten Märtyrer nahmen den Tod auf sich, ohne sich den Tod selbst zu geben. Ihr Credo: Leiden widerlegt das Leben nicht, vielmehr bewährt sich der Mensch erst im Leiden.
Das bedeutete eine radikale Umwertung des Wertesystems der Antike, insbesondere der Stoiker. Von nun an sollte der christliche Geist im Leben und im Sterben bezeugt werden, und das Leben wegwerfen hieße, das Kreuz wegzuwerfen.
Eine Betrachtung des Selbstmordes dreht sich immer um das Problem der Freiheit. Schon Dostojewskij hat die Versuchung zum Selbstmord als „schreckliche Freiheit“ bezeichnet. Die Stoiker in der Antike verherrlichten die Freiheit, alle Dinge verachten zu können, dazu gehörte es auch, den Tod, der uns normalerweise zustößt, sich in Freiheit zu geben.
Heute sprechen wir vom „selbstbestimmten Abschied“, wenn jemand seinem Leiden ein Ende machen will oder vom recht auf Leben, aber keine Pflicht zum Leben. Die Euthanasie-Debatte ist sein einigen Jahren eröffnet und wird sich verstärken, je mehr der Freitod als freier Tod eines selbstbestimmten Menschen gesehen wird. Doch ist der Freitod wirklich die letzte freie Eigenmächtigkeit des Menschen? Ist wirklich frei, wer sich den Tod gibt, wie Jean Amery, in seinem Essay „Hand an sich legen – Diskurs über den Freitod“ behauptet? Freiheit – auf den Gipfeln der Verzweiflung? Klingt das überzeugend?
Eine feste Meinung kann nur beim Einzelnen liegen. Niemand kann für oder gegen den Selbstmord überzeugt werden. Es kommt auf das Weltbild an, wie man darüber denkt. Für die Philosophische Lebensberatung gilt: Alle Argumente gegen den Selbstmord taugen nichts. Der Geschmack am Leben wiederzufinden und die Verführung zum Leben, ist die Herausforderung. Und auch: Verstehen wollen, wer denn das ist, der sich hier umbringen will.