Die son­der­ba­re Hoch­schät­zung der Arbeit in der Moderne

Impuls

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In der Moderne erfuhr die Arbeit eine sonderbare Aufwertung. Sonderbar deswegen, weil in früheren Zeiten die Arbeit immer verpönt war und die Freiheit erst jenseits der Arbeit einsetzte. In der Zeit der Reformation unter Luther wurde die Arbeit aufgewertet und die einstmals bevorzugte „vita contemplativa“ verworfen und von der „vita activa“ durchdrungen. Seitdem ist die Ruhe und Muße, die oft eine Zeit des Konsums und der Freizeit ist, die Zeit der Erholung um der Arbeit willen. Das Arbeitstier, der „animal laborans“, kennt nur noch die Pause von der Arbeit, aber keine kontemplative Ruhe mehr.

Die Ideologie der Arbeit herrscht vor. Hauptsache Arbeit. Warum suchen Menschen unbedingt Arbeit? Es geht nicht darum, Argumente zusammenzutragen, keine Arbeit zu suchen, sondern die Gründe, die Menschen veranlassen, Arbeit zu suchen, genauer anzuschauen. So kann man die wichtigsten Ansichten der Gegenwartsmenschen als Illusion enttarnen.

Als erster Grund wird das selbst verdiente Geld angegeben. Aber verdient jemand sein Geld, das er verdient? Wer verdankt das, was er verdient, sich selbst? Das rein selbst verdiente Geld ist eine Illusion, das Geld wird gesamtgesellschaftlich verdient. Wir sind immer von jemandem abhängig. Auch der zweite Grund, die wirtschaftliche Unabhängigkeit, ist eine Illusion. In komplexeren Gesellschaften werden die Menschen immer abhängiger voneinander. Schon Simmel erkannte, dass durch die Arbeitsbeziehung die Unabhängigkeit von bestimmten Personen eingetauscht wird durch die Abhängigkeit von Strukturen und Verhältnissen sowie einer Vielzahl anonymer Beziehungen. Jetzt lernen diese Menschen, das sie eine instrumentalisierte Arbeitskraft sind, weisungsgebunden und der Kontrolle unterworfen. Als Menschen gelten sie in der Regel nichts mehr. Als dritter Grund wird die Identität genannt. Mit der Berufsarbeit Identität erwerben? Das geht mit der abverlangten Flexibilität gerade nicht. Die erworbene Identität ist höchstens eine Identität des Erfolges, die sich abhängig macht vom Vergleich mit anderen. Außerdem ist Erfolg auf Sicht niemanden garantiert und damit eine sehr prekäre Angelegenheit. Als vierter Grund wird vermutet, man werde gebraucht. Aber nicht die Menschen werden gebraucht, sondern ihre Qualifikation und Leistung, irgendetwas Brauchbares, aber nicht sie selbst. Schließlich der letzte Grund: Die Selbstverwirklichung. Zu uns selbst kommen wir durch die Anerkennung der anderen. Doch nur, wenn ich selber für den anderen wichtig bin, und nicht durch meine Leistung und meine Funktion. Letztlich ist jeder ersetzbar. Doch wo ich ersetzbar bin, geht es um anderes als um mich selbst. Der Mensch der Arbeit sucht, der sich dadurch die Anerkennung seiner selbst, seinen Wert und seine Bedeutung zu finden verspricht, der hat sich tragisch getäuscht.

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