Krise des Schönen Vom bloßen Gefallen zum Gefühl des Schönen und Erhabenen

Impuls

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Was finden Menschen schön oder erhaben? Es hängt vom Menschen ab, aber wahrscheinlich auch vom Zeitgeist, der vorgibt, was gerade als schön zu beurteilen ist. Sage mir, was du schön findest, und ich sage dir, wer du bist. Wenn diese Aussage stimmt, dann befinden wir uns in einer „Krise des Schönen“. So zumindest der Befund im neuesten Buch des philosophischen Querdenkers und Außenseiters Byung-Chul-Han. Der Schlusssatz seines Buches lautet:

„Heute befinden wir uns insofern in einer Krise des Schönen, als das Schöne zu einem Objekt des Gefallens, des Like, zum Beliebigen und Behaglichen geglättet wird. Errettung des Schönen ist Errettung des Verbindlichen.“

Byung-Chul-Han

Das Schöne war immer mit dem Gefühl des Erhabenen verbunden, war immer auch überwältigend, erschütternd, schmerzend und erschreckend. Das Erhabene flösste somit Hochachtung und Bewunderung ein. Beispiele dafür sind die großen Tugenden der Aufopferung, der Treue und der schwermütigen Liebe. Von einem solchen Verständnis von Schönheit haben wir uns, nach Byung-Chul-Hans Meinung, weit entfernt. Es herrscht ein bloßes Gefallen vor. Schön wird gefunden, was reines Wohlgefallen auslöst. Man findet weitgehend nur noch Gefallen an sich selbst. Schönheit ohne Erhabenheit ist glatt. Das Digitalschöne mit seinen Likes, Selfies und der permanenten Selbstbespiegelung sind Beispiele dafür. Heutige Schönheit verschreibt sich dem Konsum, aber:

„Konsum und Schönheit schließen einander aus. Das Schöne wirbt nicht für sich. Es verführt weder zum Genuss noch zum Besitz. Vielmehr lädt es zum kontemplativen Verweilen ein. Es lässt sowohl die Begierde als auch das Interesse verschwinden. So verträgt sich die Kunst nicht mit dem Kapitalismus, der alles der Konsumtion und Spekulation unterwirft.“

Auch das Notwendige und Nützliche sind keine Kategorien der Schönheit, vielmehr ist es das interesselose Verweilen ohne Zweck. Schönheit hat nichts mit Austausch von Informationen zu tun, sondern mit Erzählung. Schön sind narrative Verbindungen. Sie bringen Dinge und Ereignisse ins Gespräch. Auch das Langsame und Lange ist dem Schönen verwandt.

Für Platon wird die Seele angesichts des Schönen dazu angetrieben, selbst Schönes hervorzubringen. Eros hat vermittels des Schönen Zugang zum Unsterblichen. Goethe hat in seinem Buch „Bekenntnisse einer schönen Seele“ den Weg einer Frau beschrieben, die eine innere Wandlung vollzieht, ein neuer Mensch, eine andere wird. Auch ein Ergebnis eines schönen Lebenswandels.

Schließlich kann das Religiöse auch durch das Schöne in Kunst und Musik, also sinnlich, erfahren werden. Darauf weist uns Navid Kermani in seinem neuesten Buch „Ungläubiges Staunen“ hin: „Religion ist zunächst einmal eine sinnliche Erfahrung, nicht eine des Verstandes. Dazu muss man nicht religiös sein, man muss nur ein Herz haben, das sieht.“

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