Kann Phi­lo­so­phie gelernt werden?

Impuls

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Philosophie kann nicht gelernt werden, nur das Philosophieren. Warum? Lernen kann man nur, wenn es einen sicheren Fortschritt gibt, wie zum Beispiel in den Wissenschaften, wo es im Laufe der Zeit zu einem sicheren Vorrat von Erkenntnissen kommen kann. Das gilt für die Philosophie nicht. In ihr kann nur das Nachdenken angeregt werden, durch Lektüre und Gespräch. Es gibt hier keine Vorgabe von fertigem Wissen, oder Einsichten, die nur gepflückt werden müssten. Insofern ist der Philosoph kein Gelehrter, sondern ein Weisheitsforscher. Was heißt das? Der Philosoph bedarf einer undisziplinierten Aufmerksamkeit. Alles kann ihn zu einer Einsicht verhelfen. Nicht nur die philosophische Lektüre, auch zum Beispiel die Literatur. Was kann man nicht alles „Menschlich-allzumenschliche“ von Dostojewskij, Thomas Mann oder Goethe lernen? Von letzterem dieses aus den Maximen und Reflexionen:

„Jedem Alter des Menschen antwortet eine gewisse Philosophie. Das Kind erscheint als Realist; denn es findet sich so überzeugt von dem Dasein der Birnen und Äpfel als von dem seinigen. Der Jüngling, von inneren Leidenschaften bestürmt, muss auf sich selbst merken, sich vorfühlen: er wird zum Idealisten umgewandelt. Dagegen ein Skeptiker  zu werden hat der Mann alle Ursache; er tut wohl zu zweifeln, ob das Mittel, das er zum Zwecke gewählt hat, auch das rechte sei. Der Greis jedoch wird sich immer zum Mystizismus bekennen. Er sieht, dass so vieles vom Zufall abzuhängen scheint: Das Unvernünftige gelingt, das Vernünftige schlägt fehl, Glück und Unglück stellen sich unerwartet in´s Gleiche; so ist es, so war es, und das hohe Alter beruhigt sich in dem, der da ist, der da war, und der da sein wird.“

Welche Einsichten können hieraus gewonnen werden? Das so gedacht werden müsste, damit Unabänderliches bejaht, das Unangenehme angenommen werden kann, es darauf ankommt, rechtzeitig seine Haltungen dem Lebensalter anzupassen, sowie einen Blick für die Vorzüge vermeintlicher Nachteile zu bekommen.

Philosophisches Nachdenken kann man vorzüglich auch bei so philosophischen Außenseitern wie Montaigne lernen. Seine Devise ließe sich kurz so fassen: Nicht leben, wie philosophisch gedacht wird, sondern philosophisch denken, wie gelebt wird. Bedenken, was man tut. Ein gelungenes Leben lässt ab von den Illusionen der Sicherheit oder der Vorstellung, es gäbe einen fertigen Lebensplan. Das Leben verlangt ständige Kurskorrekturen. Gut leben heißt, auch mit einem Minimum an Gewissheiten gut leben zu können.

Der philosophisch Denkende hat ein dreifaches Misstrauen: Gegen die Möglichkeit, zukünftige Lebensumstände abschätzen zu können, gegen ein sicheres Wissen, das in die Tat umgesetzt werden könnte, und gegen die eigenen Wünsche.

Stattdessen ist er mit Heiterkeit und Zuversicht auf alles gefasst, vor allem auf Überraschungen. Er lebt die Devise Montaignes: „Was weiß ich?“

Das schließt einen Verzicht auf die Belehrung der Welt ein. Auch die Philosophische Praxis ist nicht befugt, jemanden zu sagen, wie er zu leben habe, ist aber aufgefordert, ihn mit sich selbst und seiner Weise zu leben bekannt zu machen, ihn über sich aufzuklären, soweit dies möglich ist.

Philosophieren lernen ist eine Haltung: Den Mut zu haben, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, und nicht aus Feigheit und Faulheit unmündig zu bleiben.

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