Liebe, Barm­her­zig­keit, Ge­rech­tig­keit

Impuls

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In seinem sehr lesenswerten Buch „Die Liebe und das Abendland“ berichtet Denis de Rougemont von den beiden großen Liebesformen, von denen wir geprägt sind: Eros und Agape. Man kann sie auch als die zwei Religionen des Abendlandes bezeichnen. Eros ist Repräsentant für die leidenschaftliche Liebe, das totale Begehren, aber auch das äußerste Verlangen nach Einheit, die Überschreitung ins Unendliche, die Vergöttlichung der Frau und das Streben nach einem verklärenden Liebestod. Der Gefühlsrausch, der sich bis zur mystischen Transzendenz steigern kann, findet sich heute in trivialisierter Form in der Erlebnisintensität der romantischen Liebe. In sentimentalen Filmen wird der Kult der leidenschaftlichen Liebe mit säkularisierten Leidenschaften dargestellt.

Agape ist die Nächstenliebe, die christliche Liebe, die sich durch Hingabe, Treue, und Opferbereitschaft auszeichnet. Lange Zeit wurden beide als widerstreitende Moralauffassungen begriffen. Die Agape sollte Eros erlösen, die Leidenschaften kultivieren und von der Besessenheit heilen. Dazu wurde besonders von christlicher Seite lange Zeit behauptet, dass die Heilung von besessener Liebe nur durch die  Trennung der erotischen Liebe, die den anderen begehrt, von der Agape, die selbstlos und voller Hingabe handelt, eintreten kann.

Aber beide Liebesformen gehören zusammen. Das hat auch vor einigen Jahren Papst Benedikt XVI. in seiner Enzyklika „Deus caritas est“ eingeräumt. Die Liebe ist eine einzige Wirklichkeit. Durch das Auseinanderfallen von Eros und Agape  entsteht eine Verkümmerung der Liebe. Die leidenschaftliche Liebe, die mitunter auch eifernd, eifersüchtig über den Geliebten wacht und auch ungerecht sein kann, wird aufgehoben in einer hingebenden Liebe, die gerecht und barmherzig ist. Die sinnliche Liebe zu vergeistigen, wäre die Aufgabe einer umfassenden Liebe. Natürlich bleibt die spannende Frage, wie man die gegenseitige Bedingtheit von Eros und Agape leben und sie ins Gleichgewicht bringen kann. Die fleischlose Liebe hat jedenfalls abgedankt. Die geistige Liebe der Agape soll nicht mehr voller Hochmut auf den Körper herabsehen. Der Geist braucht den Leib, um zu lieben.

Dass zur Liebe aber Gerechtigkeit und Barmherzigkeit gehören wird niemand bestreiten. Erst mit ihnen wendet sich die Liebe voraussetzungslos dem Nächsten zu, wo die Liebe gerade not tut und handelt, ohne Ansehen der Person. Auch zwischen Gerechtigkeit und Barmherzigkeit besteht eine Spannung. Diese kann am besten aufgelöst werden, schreibt Walter Kasper in seinem Buch „Barmherzigkeit“, in dem die Barmherzigkeit als Ursprung und Ziel der Gerechtigkeit gesehen wird: „Die Barmherzigkeit ist kreative, schöpferische Gerechtigkeit. So steht sie zwar über der eisernen Logik von Schuld und Strafe, aber sie widerspricht der Gerechtigkeit nicht; sie steht vielmehr im Dienst der Gerechtigkeit.“ Barmherzigkeit ist eine Haltung. Sie übertrifft die Gerechtigkeit. Sie richtet sich auf die Begegnung mit dem Einzelnen und seiner einmaligen Situation aus. Denn eine allgemeine Gerechtigkeitsregel kann niemals allen Menschen in allen Situationen gerecht werden.

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