Liebe, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit
Impuls
Agape ist die Nächstenliebe, die christliche Liebe, die sich durch Hingabe, Treue, und Opferbereitschaft auszeichnet. Lange Zeit wurden beide als widerstreitende Moralauffassungen begriffen. Die Agape sollte Eros erlösen, die Leidenschaften kultivieren und von der Besessenheit heilen. Dazu wurde besonders von christlicher Seite lange Zeit behauptet, dass die Heilung von besessener Liebe nur durch die Trennung der erotischen Liebe, die den anderen begehrt, von der Agape, die selbstlos und voller Hingabe handelt, eintreten kann.
Aber beide Liebesformen gehören zusammen. Das hat auch vor einigen Jahren Papst Benedikt XVI. in seiner Enzyklika „Deus caritas est“ eingeräumt. Die Liebe ist eine einzige Wirklichkeit. Durch das Auseinanderfallen von Eros und Agape entsteht eine Verkümmerung der Liebe. Die leidenschaftliche Liebe, die mitunter auch eifernd, eifersüchtig über den Geliebten wacht und auch ungerecht sein kann, wird aufgehoben in einer hingebenden Liebe, die gerecht und barmherzig ist. Die sinnliche Liebe zu vergeistigen, wäre die Aufgabe einer umfassenden Liebe. Natürlich bleibt die spannende Frage, wie man die gegenseitige Bedingtheit von Eros und Agape leben und sie ins Gleichgewicht bringen kann. Die fleischlose Liebe hat jedenfalls abgedankt. Die geistige Liebe der Agape soll nicht mehr voller Hochmut auf den Körper herabsehen. Der Geist braucht den Leib, um zu lieben.
Dass zur Liebe aber Gerechtigkeit und Barmherzigkeit gehören wird niemand bestreiten. Erst mit ihnen wendet sich die Liebe voraussetzungslos dem Nächsten zu, wo die Liebe gerade not tut und handelt, ohne Ansehen der Person. Auch zwischen Gerechtigkeit und Barmherzigkeit besteht eine Spannung. Diese kann am besten aufgelöst werden, schreibt Walter Kasper in seinem Buch „Barmherzigkeit“, in dem die Barmherzigkeit als Ursprung und Ziel der Gerechtigkeit gesehen wird: „Die Barmherzigkeit ist kreative, schöpferische Gerechtigkeit. So steht sie zwar über der eisernen Logik von Schuld und Strafe, aber sie widerspricht der Gerechtigkeit nicht; sie steht vielmehr im Dienst der Gerechtigkeit.“ Barmherzigkeit ist eine Haltung. Sie übertrifft die Gerechtigkeit. Sie richtet sich auf die Begegnung mit dem Einzelnen und seiner einmaligen Situation aus. Denn eine allgemeine Gerechtigkeitsregel kann niemals allen Menschen in allen Situationen gerecht werden.