"So ist auch die Phi­lo­so­phie, ihre Zeit in Gedanken erfasst" (Hegel)

Impuls

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Hegel erteilt in seiner Rechtsphilosophie jeder Instrumentalisierung der Philosophie eine Absage. Die Philosophie solle sich keine Aufgaben zuteilen lassen, sondern das versuchen zu verstehen, was an der jeweiligen Zeit zu verstehen ist. Verstehen kann man nur das Vernünftige. Aber die Welt ist nicht nur vernünftig. Was also tun?

„Das, was ist, zu begreifen, ist die Aufgabe der Philosophie, denn das, was ist, ist die Vernunft. Was das Individuum betrifft, so ist ohnehin jedes ein Kind seiner Zeit; so ist auch die Philosophie, ihre Zeit in Gedanken erfasst.“ 

Hegel

„Die Vernunft als die Rose im Kreuze der Gegenwart zu erkennen und damit dieser sich zu erfreuen, diese vernünftige Einsicht ist die Versöhnung mit der Wirklichkeit…“

Das heißt, Philosophie habe nach dem Vernünftigen im Unvernünftigen zu fahnden, oder mit anderen Worten, nach dem Richtigen im Falschen. Es gilt zu verstehen, was einem zu denken gibt. Das was an der jeweiligen Zeit zu verstehen ist, ist der Geist der Zeit. Von diesem Geist der Zeit, von dem, was diese Zeit im Grunde genommen ausmacht, sind alle Menschen erfasst. In allen Menschen wirkt die Mächtigkeit des Zeitgeistes.

Wir moderne Menschen sind nicht mehr von der Genealogie bestimmt, von der Tradition der Herkunft, sondern von diesem Zeitgeist. Die zu erkennende Vernunft in der Gegenwart ist „die Rose im Kreuze der Gegenwart.“

Um Menschen verstehen zu können, muss die Lebenswelt des Menschen mitverstanden werden. Eben weil alle Menschen in gewissem Sinne Ausdruck ihrer Zeitlagen sind. Darum ist neben dem Bedenken der Lebensgeschichte das Mitverstehen des geschichtlichen Prozesses unumgänglich. Das unterscheidet Philosophische Praxis von Psychologie und Therapie.

Je weniger jemand sich und seine Zeit versteht, umso mehr ist man seiner Zeit ausgeliefert. Darum ist das Aufklären über die Geschichte, deren Teil man ist, wichtig. „Das was ist“ ist etwas Gewordenes, auch unser Denken. Wir denken so wie wir denken, weil unser Denken so geworden ist.

Keine Überzeugung, kein Weltbild fällt vom Himmel. Die Gegenwart verstehen heißt, die Geschichte verstehen, wie etwas geworden ist. Nicht nur was und wie gedacht wird, ist historisch entstanden, auch Denkverbote unterliegen dem geschichtlichen Prozess. Die Geschichte schreitet nicht linear voran, sondern kommt über Versuche, Rückschläge und Irrtümer voran. Philosophie kann durch ihre Aufklärung keine Irrtümer verhindern, aber aus früheren Zeiten lernen.

„Um noch über das Belehren, wie die Welt sein soll, ein Wort zu sagen, so kommt dazu ohnehin die Philosophie immer zu spät. Als der Gedanke der Welt erscheint sie erst in der Zeit, nachdem die Wirklichkeit ihren Bildungsprozess vollendet und sich fertig gemacht hat…..Die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug.“

Ob etwas getaugt hat, sieht man erst am Ende des Weges. Es kann lange dauern, bis etwas zur Reife gelangt. Der Philosoph muss bis zur Dämmerung warten.

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