Die Ge­gen­wär­tig­keit des Ro­man­ti­schen

Impuls

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Romantik sei, so Novalis, der Versuch, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein zu geben. Novalis, der immer junge Romantiker, der heilig-nüchterne Schwärmer sah den Mangel einer modernen Welt voraus. 

Einer modernen Welt, die alles wegfegt, was dem Menschen Halt und Sinn gibt. Die Welt, die noch Augen für uns hat, ist verschwunden, sie ist zum Leichnam geworden. Daher ist für Novalis die romantische Philosophie eigentlich Heimweh und Antwort, überall zu Hause sein zu wollen. In seiner Schrift „Die Christenheit oder Europa“ heißt es:

„Die Moderne machte die unendliche schöpferische Musik des Weltalls zum einförmigen Klappern einer ungeheuren Mühle, die vom Strom des Zufalls getrieben und auf ihm schwimmend, eine Mühle an sich, ohne Baumeister  und Müller und eigentlich ein echtes Perpetuum mobile, eine sich selbst mahlende Mühle sei.“

Die Welt sagt uns nichts mehr. Die romantische Philosophie versuchte diesen Schaden zu beheben. Es war ein Programm gegen das Bewusstsein von Leere, Nichtigkeit und Nichts. Die wirkliche Bedrohung kam durch das Herausgefallensein aus dem alten Glauben. Die im Gefolge der französischen Revolution heraufziehende Vernunft konnte diese Leerstelle des abgestorbenen Glaubens nicht ausfüllen. Die Romantiker suchten nach einem neuen Gott, nach einer neuen Religion. Nicht so sehr nach einem Gott, der hilft und schützt und die Moral begründet, sondern einem, der die Welt wieder ins Geheimnis hüllt. Sie wollten wieder in ein Verhältnis zur Welt kommen und sich aufgehoben fühlen. Eine Welt, in der sich die Menschen nicht gleichgültig genommen, sondern verstanden fühlen. Die Romantiker empfanden sich in einer zum Nihilismus entzauberten Welt als absturzgefährdet. Das macht sie zu unseren Zeitgenossen. Das vormoderne Bewusstsein konnte sich nicht vorstellen, aus der Welt zu fallen. Erst die Moderne sieht sich ohne metaphysischen Rückhalt mit der Endlichkeit konfrontiert. Unsere Welt gibt wenig Halt, sie könnte einen verzweifeln lassen, wenn nicht dagegen etwas aufgeboten würde. Arbeit, Alltag, das Abfeiern von Events: All das war den Romantikern zuwenig.

Georg von Lukacs schreibt 1907 in seinem Essay „Novalis“:

„Die selbständigsten und eigenwilligsten Persönlichkeiten waren hier (in Jena am Ende des achtzehnten Jahrhunderts) – im Grunde in einem großen Salon - beisammen. Jeder von ihnen durchlitt alle Qualen eines in die Wüste ausgesetzten, nach Kultur und Gemeinsamkeit dürstenden Menschen und die tragischen Schmerzensekstasen eines bis ins Äußerste gespannten Individualismus…Es schien, als ob eine neue Religion entstehen sollte… Und die Apostel jener neuen Religion versammelten sich in ihren Salons zu Jena und besprachen in leidenschaftlichen Paradoxen das Programm der neuen Welteroberung…“

Die Romantiker zeigten die Tyrannei einer Vernunft auf, indem sie auf Traditionen zurückgriffen, die im modernen Sinn nicht vernünftig sind, an denen sich aber die Vernunft zu messen habe. Eine abstrakte Vernunft ist gefährlich und tyrannisch. Tyrannisch ist auch eine unhistorische Vernunft. Gegen diesen Geist traten die Romantiker auf. Heute haben wir eine unhistorische, tyrannische Vernunft in der Wirtschaft und Politik, wo nur an morgen gedacht wird. Sie zeigt sich auch in einer Degradierung des Menschen, der auf seine reine Nützlichkeit reduziert wird. Die Romantiker reagierten auf die Nachtseiten der Vernunft. Gegen die verordnete Nüchternheit setzten sie das Rätselhafte, Wunderbare, Faszinierende. Das Romantisieren ist eine Liebeserklärung, wie es in dem wunderbaren Mondnachtgedicht von Eichendorff anklingt: „Es war als hätte der Himmel die Erde still geküsst, dass sie im Blütenschimmer von ihr nun träumen müsst.“

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