Epikurs Anleitung zum ge­glück­ten Leben

Impuls

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Oberflächlich betrachtet steht Epikur unserer gegenwärtigen Lebensform sehr nahe. Sein Name steht für den unbedenklichen Genuss der materiellen Freuden des Lebens, er gilt als Schöpfer des hedonistischen Systems, also dem Streben nach Lust als oberstes ethisches Prinzip, und er wird als der Begründer des abendländischen Individualismus gehandelt. 

Was wollte Epikur wirklich und was davon sollte sich der außer Rand und Band geratene Zeitgenosse von ihm sagen lassen? Das geglückte Leben, die Eudämonie, worin besteht sie? Für die antiken Philosophen, die sich damit beschäftigten, stand die Autarkie, also die Selbstgenügsamkeit ganz oben. Wie ist diese zu erreichen? In der Tradition gab es dafür zwei Wege: die geistige Anschauung (vita contemplativa) und die politische Praxis (vita activa). Noch für Aristoteles war die Autarkie auf beiden Wegen möglich. Epikur verwirft die vita activa und damit die Einmischung und das Interesse an der Gestaltung der politischen Verhältnisse. Der Weg zum Glück liegt allein im Rückzug ins Privatleben, allenfalls zusammen mit ein paar guten Freunden.

Insofern beginnt der abendländische Individualismus bereits mit Epikur und mit dem dritten vorchristlichen Jahrhundert.

Epikur ist uns auch noch in einem weiteren Punkt sehr nahe. Er glaubt nicht mehr, wie noch Platon und Aristoteles, an eine ewige Wesensverfassung, er leugnet sämtliche idealistischen Vorstellungen von Gott oder ein Weiterleben nach dem Tod. Er war ein materialistischer Denker. Sein oberstes Ziel ist die Autarkie, dazu muss er die Bedrohung des Todes und der Sterblichkeit beseitigen.

„Denn nichts ist im Leben schrecklich für denjenigen, der wirklich begriffen hat, dass nichts Schreckliches darin liegt, nicht zu leben.“

„Das schauerlichste aller Übel, der Tod, hat also keine Bedeutung für uns; denn so lange wir da sind, ist der Tod nicht da, wenn aber der Tod da ist, dann sind wir nicht da“.

Wer das richtige Verhältnis zum Tod findet, hat keine Furcht mehr nötig und findet zur inneren Ruhe, eine wichtige Vorbedingung des geglückten Lebens. Um dem Sterben richtig zu begegnen, verweist Epikur auf ein Leben im Augenblick, eine Art carpe diem, die dem modernen Menschen ebenfalls vertraut ist.

Worin besteht aber das Glück? Im richtigen Verhältnis zu unseren Begierden. Epikur verstand den unendlichen Steigerungsprozess, der immer neue Bedürfnisse entstehen lässt, und der einen Verzicht auf die nicht notwendigen Begierden notwendig macht. Er entwickelte eine Bedürfnisskala, die bis heute ihre Gültigkeit hat, aber in unserer Zeit weitgehend vergessen worden ist. Seine Haltung zu den Bedürfnissen war für ihn der Maßstab dafür, was gebraucht und was nicht gebraucht wird.

„Wenn wir also sagen, dass die Lust das Ziel sei, meinen wir nicht die Wollust der Unersättlichkeit und die Lüste, die sich auf oberflächlichen Genuss beschränken, …sondern die Freiheit von körperlichem Schmerz und von seelischer Unruhe.“

Epikurs Bedürfnislehre ist eine Annäherung an die Genügsamkeit und damit ein Weg zur Autarkie. Sein Hedonismus bedeutet also nicht, Genuss auf Genuss zu häufen, sondern das Ziel seiner Philosophie liegt vielmehr in der Befreiung von Unlust und Unruhe. Aber genügt diese Befreiung von den Bedürfnissen, vom Schmerz, und die Unempfindlichkeit von Schicksalsschlägen für ein geglücktes Leben? Bedeutet ein solches indifferentes Leben schon Glück? Wie sollen aus der Genügsamkeit und der Befreiung von Unruhe und Unlust eine Stimmung und ein Überschwang entstehen, die mit Recht zu einem geglückten Leben dazugehören? Hier liegt Kritik und Grenze der Ethik Epikurs. Jedenfalls aber zeigen seine Ethik und seine Anleitung zu mehr Genügsamkeit einen wichtigen Baustein auf dem Weg zu einem autarken, geglückten Leben.

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