Geld und Magie Die All­ge­gen­wart des Geldes hat die All­ge­gen­wart Gottes abgelöst

Impuls

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Was heißt radikal denken? Zum Beispiel denken, dass sich fast alle irren und nur wenige das Richtige meinen. Immerhin ist es der Vorzug der Philosophie, abseits von pragmatischen Gesichtspunkten in Freiheit zu denken. Nehmen wir folgendes Beispiel: In einem kürzlich erschienenen Interview in der Zeit bekennt sich Papst Franziskus zu seinem Glauben an den Teufel. Und auf die Frage, was seiner Meinung nach Teufels Werk, ist antwortet er: Eifersucht, Neid, Kriege.

Machen wir einen Bogen zu Goethes Faust. Im zweiten Teil wird berichtet, dass das moderne Geld eine Erfindung des Teufels sei. Was ist, wenn man all das ernst nimmt? Hans Christoph Binswanger nimmt zumindest Goethe ernst. In seinem Buch „Geld und Magie“ führt er uns die „kaum fassbare Aktualität“ von Goethes Hauptwerk vor. Zur Erinnerung: Im zweiten Teil des Faust wird berichtet, dass der Kaiser sich verschuldet hat und Mephisto sich als Erfinder des Papiergeldes hervortut. Diese (teuflische) Geldschöpfung aus dem Nichts ist ein alchemistischer Prozess, eine magische Prozedur. Und was ist unsere moderne Geldwirtschaft anderes als eine Fortsetzung dieser Alchemie, weil das Geld auch quasi aus dem Nichts (durch Einbuchung) geschöpft wird. Das war immer Kennzeichen der Magie: Die Mühelosigkeit und die Unbegrenztheit. Geldschöpfung kennt keine natürlichen Grenzen. Die moderne Finanzwirtschaft entpuppt sich bei näherem Hinsehen als alchemistischer Prozess. „Wer die Alchemie der Wirtschaft nicht versteht, so lautet die Botschaft von Goethes Faust, kann die ungeheuerliche Dimension der modernen Wirtschaft nicht erfassen“, schreibt Binswanger.

Die Erfindung des Papiergeldes ist ein Versprechen auf die Zukunft, es soll den Menschen über die Zeit triumphieren lassen, indem jetzt gelebt und konsumiert werden kann. Bezahlt wird später von den nächsten Generationen. Geld ist das Symbol des Dauerhaften (die Währung), das die Vergänglichkeit durchbricht. Dabei ist es mit der Dauerhaftigkeit des Geldes nicht weit her, es verrottet und verwest schneller als man glaubt. Inflation ist daher die Aufklärung über das moderne Geld.

Wer Geld die absolute Herrschaft gibt, macht es zu seinem Gott. Im Faust 1 sagt das Gretchen: „Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles. Ach wir Armen.“ Wer das Geld zu seinem Gott erklärt, drängt danach, weil er es als das Wichtigste erachtet. Dagegen sagt Gretchen, dass wir am Geld hängen, weil wir danach drängen. Wir sind arm, weil wir nach Geld drängen. Die moderne Vorstellung lautet: Wir sind solange arm, solange wir kein Geld haben. Das Geld herrscht und beherrscht alles. Gretchen hat noch eine vormoderne Geldvorstellung.

Die moderne Geldschöpfung ist nichts anderes als die Fortsetzung des Schöpfungsprozesses durch den Menschen. Aus Nichts wird etwas. Aber kann aus Nichts etwas werden? Die Wirtschaft maßt sich mit der Schöpfung aus dem Nichts einen transzendenten Charakter an, den früher die Menschen in der Religion gesucht haben. Der Glaube (credo=Kredit) und das grenzenlose Vertrauen an und in das Geld ersetzen den Glauben an ein Jenseits. Die Allgegenwart des Geldes hat die Allgegenwart Gottes abgelöst. Die Finanzwirtschaft hat mit ihrem heiligen Hunger nach Geld selbst einen sakralen Charakter angenommen.

Die ungeheure Aktualität von Goethes Faust zeigt sich darin, dass Faust ein  Repräsentant des modernen Menschen ist. Die Finanzwirtschaft hat in der Moderne die Vorherrschaft über alle anderen Bereiche übernommen. Sie ermöglicht ein Wachstum und verspricht immer größeren Wohlstand. Aber wie dem Geld die Entgrenzung innewohnt, so kennt auch das Wachstum keine Grenzen. Für Marx ist Geld die sichtbare Gottheit, die alle Dinge verwandelt und ins Gegenteil verkehrt. Die alles verkehrende Kraft wurde aber stets als Teufel bezeichnet.

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