Romantik Die Re­vo­lu­ti­on des Denkens, Erlebens und Emp­fin­dens

Impuls

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Für Rüdiger Safranski, dessen Bestseller „Romantik. Eine deutsche Affäre“, um eine Rehabilitation der oftmals denunzierten Romantik bemüht ist, sei die Romantik ein Programm gegen die Langeweile und ihre Folgen gewesen: Das Bewusstsein von Leere, Nichtigkeit und Nichts. Diese Langeweile, so Safranski, war der eigentliche wahre Feind und die wirkliche Bedrohung der Generation, die durch die französische Revolution zu den höchsten Aufschwüngen der Einbildungskraft getrieben wurde.

Es war eine Generation, die aus dem alten Glauben heraus gefallen  und von der neu propagierten Vernunftformel nicht befriedigt werden konnte. Bei den Romantikern beginnt die Karriere der Langeweile als großes Thema der Moderne, so Safranski. Schon Kant definiert die Langeweile als „Anekelung der eigenen Existenz aus der Leerheit des Gemüts.“ Er nennt sie ein „horror vacui.“ Und mit Pascal fühlt der Mensch in der Langeweile in der Tiefe seiner Seele dieses Nichts, diese Leere. Der Mensch kann es ohne Leidenschaft, ohne Tätigkeit, ohne Zerstreuung gar nicht aushalten. So entsteht Pascal zufolge, die moderne Hektik und Betriebsamkeit. Die Romantiker propagierten dagegen eine neue Empfindsamkeit und einen Ich-Kult. Alle Wirklichkeit wurde als ein Ich-Erlebnis interpretiert. Die Welt wurde nur noch als bloßes Material für das eigene Erleben gesehen.

Die gelangweilten Romantiker sehnten sich nach Bewusstlosigkeit. „Es gibt nichts Höheres im Menschen“, heißt es in Tiecks „Lovell“, „als den Zustand der Bewusstlosigkeit, dann ist er glücklich und zufrieden.“ Sie hatten ein Sensorium für das rasende Rad der Zeit und erfanden daher Konstellationen, wo man, fern vom Getriebe der Welt am Rande der großen Leere das Grundrauschen der Existenz hören konnte. Novalis erfand das Romantisieren: Es sei der Versuch, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein zu geben. Im Kern bedeutete das ein sich hinaufstimmen, das ihm auch fast gelungen war, als er seiner geliebten Sophie nachsterben wollte. Einig waren sich alle Romantiker darin, dass gegen die Wüste der Entzauberung nur wieder die zauberischen Geheimnisse helfen. Letztendlich kämpften die Romantiker gegen die Gefahr des modernen Nihilismus. Sie spürten die bedrohlichen Sinnlosigkeitsgefühle angesichts eines versicherten und reglementierten Lebens. Dagegen begründeten sie einen ästhetischen Gott, der die Welt wieder in ein Geheimnis hüllt. Was uns die Romantiker zu Zeitgenossen macht, ist ihre Empfindung der Absturzgefährdung. Das vormoderne Bewusstsein konnte sich nicht vorstellen, aus der Welt zu fallen. Erst die Moderne sieht sich ohne metaphysischen Rückhalt mit der Endlichkeit konfrontiert. Arbeit und Gewohnheit schützen vor dem Abstürzen in die Verzweiflung. Den Romantikern ist das zuwenig. Sie setzen auf das Romantisieren, es ist eine Liebeserklärung, wie es in dem wunderbaren Mondnachtgedicht von Eichendorff anklingt: 

„Es war, als hätt’ der Himmel
Die Erde still geküsst,
Dass sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müsst.“

Die Romantik löste den tiefsten und dauerhaftesten Wandel der Geschichte des Abendlandes überhaupt aus. Die Lebenswiese und das Denken der westlichen Welt wurden umfassend umgestaltet. Ein gigantischer Bewusstseinswandel setzte ein. Wir sind alle Erben dieser Romantik, auch wenn uns das nicht bewusst ist.

Die Romantiker reagierten auf die Grenzen der Aufklärung, die verdrängten Nachtseiten der Vernunft. Sie waren gegen eine kalte, verordnete Nüchternheit und traten ein für das Rätselhafte, Wunderbare, Unvorhergesehene, Faszinierende. Für den Traum, die Phantasie, Innerlichkeit, Einsamkeit, Sehnsucht, Sinnlichkeit, Heimat und für eine Herzensbildung.

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