Warum alles immer wieder einen Anfang und ein Ende hat, und wie an­ge­mes­sen darauf zu reagieren wäre

Impuls

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Samuel Beckett hat Zeit seines Lebens über das Ende nachgedacht. Von „Warten auf Godot“ über das „Endspiel“ bis „Das letzte Band“ und „Glückliche Tage“: Leben unter Endspielbedingungen. So lässt er seine Figur Hamm im „Endspiel“ sagen: „Das Ende ist im Anfang, und doch macht man weiter.“ Sollte umgekehrt ein Anfang nicht auch im Ende sein? Becketts Figuren fallen alle in diesen Zwischenraum, zwischen dem Ende, das schon im Anfang ist, und einem Anfang, der immer auch ein Endspiel ist. Diese Zwischenzeit heißt Leben.

Wir befinden uns in einem permanenten Zwischenzustand, aus dem wir nicht herauskönnen. Ende und Anfang begleitet unser Leben. Dies wäre als wichtige Grundtatsache unseres Lebens zu verstehen. Der Mensch scheint ein ständiger Aufhörer und Anfänger zu sein. Für ihn gibt es keinen anfangenden Anfang, will heißen, alles resultiert aus Vorhergehendem. Aber es gibt für ihn scheinbar auch kein endgültiges Ende. Ein Ende sich vorzustellen, gar ein endgültiges Ende, war für den Menschen immer schon schwierig.  Er hat stets mit dem Ende gerungen. Von den einen wird es verzweifelt ersehnt, von den anderen schrecklich gefürchtet. Mancher will lieber ein Schrecken mit Ende als ein Schrecken ohne Ende. Das erklärt die schwere Unannehmbarkeit des Zwischenzustandes.

Kant schreibt dazu: 

 

„Dass aber einmal ein Zeitpunkt eintreten wird, da alle Veränderung aufhört, ist eine die Einbildungskraft empörende Vorstellung. Alsdann nämlich würde die ganze Natur starr und versteinert.“

Immanuel Kant

Die Sehnsucht des Menschen, dem permanenten Wechsel zwischen Anfang und Ende zu entkommen hat, zu den Vorstellungen über ein endgültiges Ende der Zeit und der Geschichte geführt. Ein endgültiges Ende der Zeiten soll mit unserer Zeit wirklich Schluss machen.

Im Normalfall sind wir gewohnt, dass etwas aufhört und anfängt. Die „Verendgültigung unseres Lebens“ hat eine Beunruhigung in sich, die auf die Spur der Würdigung des Lebens mit all seiner Vergänglichkeit führen kann. Wenn eines dem Menschen verlässlich bleibt, dann ist es dieses: Der Eindruck, dass alles fließt, alles in Veränderung ist. Der Mensch scheint sich daran zu gewöhnen. Er ist kein ewigkeitssüchtiges Wesen mehr, das sich nach Dauer und Heimat sehnt, wie man lange angenommen hat. Bringt uns das aber wirklich nicht mehr aus der Fassung? Vielleicht gar aus dem Grund, weil es da keine Fassung mehr gibt, die wir verlieren könnten? Dann allerdings wäre zugleich jedem Gedanken an Lebenskönnerschaft die Voraussetzung entzogen, und damit die Möglichkeit, in eine Verfassung zu geraten, die einem gestatten würde, auf Augenhöhe mit den schrecklichen und gefürchteten Enden und Abschlüssen des Lebens umzugehen.

Die erste Weisheit wäre: Das Leben in seiner Vergänglichkeit anzuerkennen. Wir sollten uns erkennen – als Sterbliche, denen letzten Endes alles unter den Fingern zerrinnt. Des weiteren: Sich besinnen. Es ist die Besinnung, die uns erwachen lässt und uns sehen lässt, was unser Fall ist, und wie es um uns bestellt ist. Des Ende der Illusion heißt begreifen: Wie kann ein Vergänglicher über Vergänglichkeit klagen? Der Unbelehrte bleibt seinen Wünschen und Vorstellungen verhaftet, der wähnt, es müsse doch wohl so gehen, wie man selbst nun einmal wolle.

Dann könnte man geradezu zu einem Lob der Vergänglichkeit kommen. Es wäre der Mensch, der seine Vergänglichkeit mit Stolz und Demut annimmt.

Um mit Anfängen und Enden des Lebens umzugehen, braucht es neben dem Annehmen der Endlichkeit Dankbarkeit, Heiterkeit, Zufriedenheit, Klugheit/Weisheit, ein denkendes Herz, Vertrauen und ein Besinnen darauf, worauf es im Leben ankommt. Mit einem Wort: Lebenskönnerschaft.

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