Über die aktuelle Krise der Politik, die eine Krise des Westens ist

Impuls

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Demokratie und Politik sind in der Krise. Das Vertrauen schwindet. Wer über das Politische nachdenkt, kommt zu dem Schluss, es geht etwas zu Ende. Aber was kommt danach? Das politische System scheint erschöpft. Eine postdemokratische, postchristliche, postkapitalistische Gesellschaft entspricht nicht mehr dem westlichen Gesellschaftsmodell. Mit der Krise der Demokratie und der Politik steht der Westen auf dem Prüfstand. Der Westen schwankt (Udo di Fabio). Die aktuelle Krise der Politik scheint nur ein Symptom einer Krise des westlichen Systems zu sein.

Beginnen wir bei der Politik. Die politische Klasse befindet sich in einem elenden Zustand. Sie zeigt autoritäre Züge, ist mit den globalen Aufgaben überfordert, die wesentlichen Entscheidungen fallen in der Wirtschaft. Die Gesellschaft zeigt Auflösungstendenzen. Die große Frage, was die Gesellschaft zusammenhält, wird nicht mehr von der Politik beantwortet. Die herkömmlichen Institutionen, wie Familie, Gewerkschaften oder Kirchen sind nicht mehr gemeinschaftsstiftend. Es wird von Spaltungen der Gesellschaft, von Parallelwelten und Subkulturen gesprochen. Die Menschen fühlen sich nicht mehr ein und demselben Gemeinwesen zugehörig. Man lebt in verschiedenen Welten.

Bei Aristoteles findet sich in seiner „Politik“ als grundlegende Bestimmung des Wesens des Staates: „Seiner Natur nach ist der Staat eine Vielheit.“ Homogenität, Konsens ist also nicht das Ziel des Staates. Es geht um das gute Leben in einer Vielheit, die aber keine beliebige Diversität sein kann.

Eine gute Politik hätte also dafür zu sorgen, dass Gemeinschaft entsteht und gestärkt wird, indem Menschen mit den verschiedensten Grundhaltungen im Gespräch bleiben und den jeweils anderen aus seinen Blasen holt. Allgemeinverbindliche Entscheidungen sind dann allzu oft eine Quadratur des Kreises. Das aber bleibt die größte Aufgabe der Demokratie und einer guten Politik: „Überzeugungen, Gedanken und Sätze zu ertragen, die einem gegen den Strich gehen“ (Peter Turrini). Die Fähigkeit des Zuhörens und im Gespräch bleiben schwindet zunehmend. Damit kommt es zu einem Verlust des Politischen und einer Existenzbedrohung des Staates. Eine Dominanz des Ökonomischen und eine Event-Politik, die den Bürger als Kunden sieht, dessen Bedürfnisse befriedigt werden müssen, tun ihr übriges.

Die Krise des Politischen ist ein Ergebnis der Moderne. In ihr hat sich die Politik, wie die Wirtschaft, aus allen Regularien und Bindungen (Religion, Moral etc.) gelöst. Ein überdehnter Freiheitsbegriff, der Freiheit nur noch als Durchsetzung der eigenen Wünsche und Bedürfnisse sieht, zerreißt den Zusammenhalt der modernen Gesellschaft. Ein nicht mehr Wissen, wie vernünftig mit Freiheit umzugehen ist, führt zu autoritären Erscheinungen der Politik. Die Massen rufen nach dem starken Mann, der Ordnung und Sicherheit schaffen soll.

Die Moderne hat sich weitgehend von den Errungenschaften des Abendlandes verabschiedet. Europa ist ein Konglomerat von Antike, Christentum, Renaissance, Reformation, Humanismus und Aufklärung. Würde, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Vernunft, Glaube, Individualität – über diese Werte wurde 2.500 Jahre lang gerungen. Das Verständnis dafür, was sozialer Rechtsstaat, Verfassung, Bildung, Erziehung, Umgang mit Fremden, Alten und Kranken und Familie bedeuten, ist in unserer Zeit abhanden gekommen. Die westlichen Gesellschaften haben im Kampf um Wachstum und Wohlstand die humanen Ressourcen vergessen. Unmenschliches wird dann zum Normalverhalten. Der Westen wird untergehen, wenn er sich nicht auf seine sittlichen Grundlagen besinnt, die seine Identität ausmachen. Wenn eine Gesellschaft vergisst, wer sie ist und welche Werte und Identität sie verteidigt, dann wird ihr Abstieg trotz aller ökonomischer, technischer und militärischer Kraft kommen. Das westliche Menschenbild als einem freien und mit unverlierbarer Würde ausgestatteten Individuum, ist aus dem antiken und christlichen Weltbild entstanden. Von dieser Seite her muss eine Kritik am modernen Menschenbild einsetzen, das eine Nivellierung des Menschen eingeleitet hat. Es geht um eine Neubewertung von Religion und Ethik, ohne hinter die Aufklärung zurückzufallen. Letztlich bräuchte die Politik eine ethische Neubegründung. Ohne sie werden grundlegende Maßstäbe der Gerechtigkeit nicht im Staat durchgesetzt werden. Politik ist nicht Moral, aber gute Politik muss sich einem verbindlichen Ethos verpflichten. Keine Gesellschaft kommt ohne große Erzählung über das Woher und Wohin aus, weil diese identitätsstiftend ist (Udo di Fabio). Realpolitik ist zuwenig, um eine Gesellschaft zusammenzuhalten. Dazu braucht es Ideen, Erzählungen, Menschenbilder und Weltbilder. Der Westen, das christliche Abendland, hält diese Weltbilder bereit. Antike Philosophie, christliche Weltsicht, die Aufklärung als große Erzählung, die Wurzeln eines Humanismus, sind neu zu beleben, damit letztlich die Demokratie und eine gute Politik in die westlichen Gesellschaften einkehren.

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