Über Erlösung. Erlöser, Heil und ähnliche Begriffe

Impuls

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Theologen und Philosophen haben in den vergangenen Jahrhunderten über Erlösung nachgedacht. Zum Teil wurden Theorien formuliert, die uns heute ziemlich fremd vorkommen. Der heutige Zeitgenosse wird eher die Frage stellen, muss man denn erlöst werden und wovon. Erlöserideen kommen in allen Religionen vor. Meist waren sie mit der Erwartung eines neuen, goldenen Zeitalters verbunden. Im Laufe der Zeiten sind viele Erlöser aufgetreten, von denen erwartet wurde, dass sie vom dauernden politischen Schrecken befreien. Mit dem Erlöser sollte eine neue Zeit beginnen. Ursprünglich wurde, wie in Israel, die Erlösung im Äußeren erwartet, durch politische Umstürze, die aus der Not helfen sollten. Die Geschichte der Erlösung im Äußeren reicht bis zum „Heil im Sieg“, das Hitler verkündete.

Mit dem Christentum kam der Gedanke einer Erlösung im Inneren auf. Der Mensch sollte aus einer schlechten Verfassung befreit und innerlich gut werden. Letztlich geht es um Heil in einem umfassenden Sinn, nicht nur um Beseitigung von Übel. Theologisch gesprochen geht es um ein Stiften eines neuen Verhältnisses zu Gott, das in der Versöhnung Gottes gründet. Lange Zeit stritt man auch über das Verhältnis des eigenen Anteiles an der Erlösung und der Erlösung als Gnade.

Eine Gefahr war immer mit allen Erlösergestalten verbunden. Wenn völlig Neues entstehen sollte, dann musste der Erlöser Gesetze brechen oder aufheben. Erlöser sind Katastrophengestalten, die Katastrophe wird gleichsam als Erfüllung gesehen.

Was Erlösung letztendlich sei, ist eine wenig entschiedene Frage. Auch unter Theologen. Eine frühe Deutung war die „Rekapitulationstheorie“, (rekapitulieren= etwas wiederholen), die davon handelte, dass durch den Fall der Schöpfung ein Erlöser (Christus als 2. Adam) einen neuen Anfang schaffen und die Schöpfung heil machen sollte. Die „Redemtionstheorie“ ist eine Loskauf- oder Stellvertretertheorie. Der Erlöser (Christus) hat mit seinem teuren Blut losgekauft. Das ist eine alte Opfertheorie, die auch in Märchen und Mythen vorkommt. Ein unschuldiges Sühneopfer (z.B. eine Jungfrau) soll von der Schuld befreien. Ein schuldloses, reines Opfer tritt für die Schuld ein, die wir selbst nicht abtragen können.

Bis ins 20. Jahrhundert blieb die Satisfaktionstheorie des Anselm von Canterbury in der Theologie bestimmend und wirksam. Die durch die Schuld gekränkte Ehre Gottes konnte nach Ansicht Anselms nur durch Bestrafung oder Genugtuung (Satisfaktion) wieder hergestellt werden. Der Erlöser vermochte, wie im Falle von Christus, als wahrer Gott und wahrer Mensch stellvertretend für die Menschen Genugtuung leisten. Die Heilung besteht im Freikauf aus der Macht der Schuld.

Alle diese Theorien verbleiben im engen Gesetzesdenken einer strafenden Gerechtigkeit und der Notwendigkeit des Loskaufens. Die Theologie der Befreiung stellte dagegen die emanzipatorische Dimension des Erlösungsgeschehens stärker in den Vordergrund.

Das Problem trotz aller aufgetretenen Erlöser: Der Mensch sündigt weiter. Das Böse ist und bleibt weiter in der Welt. Weiterhin bleibt die Frage offen: Wovon soll eigentlich erlöst werden? Von der sündigen Natur? Von der Bereitschaft zu sündigen?

Nietzsche, der Pastorensohn und Kenner der Theologie, hat die Erlösung weitergedacht. In seinem „5. Evangelium“ (Zarathustra) gibt es das Kapitel „Von der Erlösung.“ Nietzsche räumt darin auf mit den üblichen Erlösungswünschen, nämlich  dem Loswerden von Belastetem. Für ihn liegt auch in der Versehrtheit etwas Rechtes und Richtiges. Wenn Belastetes von uns fällt, dann ist es damit noch nicht gut. Erst dann geht die eigentliche Erlösung los. Für Nietzsche ist die Einseitigkeit des Menschen erlösungsbedürftig. Erlösen heißt für ihn Heilmachen und damit Ganz machen. Wir sollen erlöst sein von unseren Einseitigkeiten und Schieflagen. Der Mensch ist noch kein Ganzes, wenn er sich nimmt, wie er sich vorgefunden hat. Erlösung wäre das Ergreifen von sich selbst und damit der zu werden, der man ist.

Nietzsches Kerngedanke ist die Umschaffung von einem „Es war“ in ein „So wollte ich es“. Das erst hieße ihm Erlösung. Die Vergangenheit kann nicht mehr ungeschehen gemacht werden. Mit Strafe kann zwar rückwirkend etwas gutgemacht werden, aber damit befindet sich die Erlösung noch im juristischen Bereich. Nietzsche will mit der Annahme „Aber so wollte ich es“ über das Christentum hinaus vom Geist der Rache und Vergeltung erlösen. Erst die Erlösung vom Geist der Rache ist ihm die rechte Erlösung.

Damit lässt sich der zentrale Erlösungsgedanke des Christentums jetzt anders verstehen. Nicht der Erlöser hat uns von unseren Sünden befreit, sondern umgekehrt müssen wir denken, unsere Sünden haben den Erlöser ans Kreuz gebracht. Der alten Erlösungsidee zufolge, das andere für uns leiden müssen, um erlöst zu werden, muss eine Absage erteilt werden. Nicht für uns wurde geopfert, wir sind die Opfernden. Eine Aufklärung darüber wäre auch eine Form der Erlösung.

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