Was ist eine Phi­lo­so­phie des Lebens?

Impuls

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Eine Philosophie des Lebens hat mit Erbauungs- und Ratgeberliteratur nichts zu tun. Sie will aus der Fülle des Lebens heraus philosophieren, aus dem Leben heraus denken, ohne aus dem Leben eine Theorie zu machen. Das Leben selbst wird dem Lebensphilosophen zum Erkenntnisorgan, indem es Subjekt und Objekt des Philosophierens ist. Der Philosoph als Philosophischer Praktiker will nicht Philosoph sein im Unterschied zum Menschen. Er will als lebendiges, wirkliches Wesen denken und sich dabei den erfrischenden Wogen des Weltmeeres aussetzen. In der Existenz der Welt soll gedacht werden, nicht im Vakuum einer Abstraktion. (Ludwig Feuerbach).

Seit Friedrich Nietzsche muss die Philosophie den Philosophen anerkennen. Der Philosoph verschwindet nicht als Theoretiker oder in einer Allgemeinheit. Bei Nietzsche hört man Zeile um Zeile einen Menschen sprechen. Dafür steht beispielhaft folgende Stelle aus dem Zarathustra (Von den Gelehrten):

„Ausgezogen bin ich aus dem Hause der Gelehrten: und die Tür habe ich noch hinter mir zugeworfen. Zu lange saß meine Seele hungrig an ihrem Tische; nicht, gleich ihnen, bin ich auf das Erkennen abgerichtet wie auf das Nüsseknacken. Freiheit liebe ich und die Luft über frischer Erde; lieber noch will ich auf Ochsenhäuten schlafen, als auf ihren Würden und Achtbarkeiten. Ich bin zu heiß und verbrannt von eigenen Gedanken: oft will es mir den Atem nehmen. Da muss ich in´s Freie und weg aus allen verstaubten Stuben. Aber sie sitzen kühl in kühlem Schatten: sie wollen in Allem nur Zuschauer sein und hüten sich dort zu sitzen, wo die Sonne auf die Stufen brennt. Gleich Solchen, die auf der Straße stehn und die Leute angaffen, welche vorübergehen: also warten sie auch und gaffen Gedanken an, die andere gedacht haben. Greift man sie mit Händen, so stäuben sie um sich gleich Mehlsäcken, und unfreiwillig: aber wer erriete wohl, dass ihr Staub vom Korne stammt und von der gelben Wonne der Sommerfelder?...Gleich Mühlwerken arbeiten sie und Stampfen: man werfe ihnen nur seine Fruchtkörner zu! – sie wissen schon, Korn klein zu mahlen und weissen Staub daraus zu machen.“

Lebensphilosophie weiß sich, im Gegensatz zum abstrakten Verstand und allgemeiner Menschlichkeit, einer lebendigen Seele und individueller Menschlichkeit verpflichtet. Selbst Kant, der seine Philosophie auf die abstraktesten Vernunftbegriffe gebracht hat, schreibt von einer Weltphilosophie, die ihre Würde darin hat, der Weisheit und der ursprünglichen Tradition der Philosophie zu folgen. Das tut sie, indem sie praktische Philosophie für das Leben ist. Ihre zentrale Frage lautet: Worauf kommt es im Leben eigentlich an? Philosophieren heißt selbst Denken, und das lernt man nur durch Übung.

Bedeutende Lebensphilosophen waren neben Georg Simmel und dem schon erwähnten Friedrich Nietzsche, Ludwig Wittgenstein und auch Friedrich von Hardenberg, genannt Novalis. Von ihm stammt der folgende Gedanke:

„Philosophieren ist dephlegmatisieren – Vivificieren. Man hat bisher in der Untersuchung der Philosophie, die Philosophie erst totgeschlagen und dann zergliedert und aufgelösst. Man glaubte die Bestandteile des Caput mortuum (des wertlosen Totenkopfes) wären die Bestandteile der Philosophie. Aber immer schlug jeder Versuch der Reduktion, oder der Wiederzusammensetzung fehl. Erst in den neuesten Zeiten hat man die Philosophie lebendig zu beobachten angefangen, und es könnte wohl kommen, dass man so die Kunst erhielte Philosophien zu machen.“

Lebensphilosophie will Lebendiges beschreiben. Wer so vorgeht, der sucht zuerst nach dem Geist in allen Dingen. Novalis dazu:

„Der Scholastiker vernichtet jede lebendige Natur, um ein Gedankenkunststück an ihre Stelle zu setzen.“

Das trifft auf die Theoriegebäude zu, die errichtet werden, anstatt die Wirklichkeit, wie sie ist, zu erkennen. Dazu bemerkt der Philosoph Odo Marquard:

„Das Studium einer Fachwissenschaft ist das Studium einer weiteren Borniertheit.“

Dagegen geht es beim Philosophieren nach Novalis um folgendes:

„Philosophieren ist eine…Erregung des wirklichen Ich durch das Idealische Ich… Der Entschluss zu philosophieren ist eine Aufforderung an das wirkliche Ich, dass es sich besinnen, erwachen und Geist sein solle.“

Und weiter:

„Der wahre Leser muss der erweiterte Autor sein. Er ist die höhere Instanz, die die Sache von der niederen Instanz schon vorgearbeitet hat.“

Und gegen eine kalte, nüchterne Wissenschaft ist folgende Liebeserklärung gedacht:

„Im eigentlichen Sinn ist philosophieren – ein Liebkosen – eine Bezeugung der innigsten Liebe zum Nachdenken, der absoluten Lust an der Weisheit.“

Und für Novalis gibt es auch Dinge, die der Schonung bedürfen:

„Vieles ist zu zart um gedacht, noch mehreres um besprochen zu werden.“

Novalis führt uns auf die Spur einer guten Beratung, eines guten Gesprächs, eines guten Weiterdenkens. Der Philosophische Praktiker geht in seiner Spur.

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