Der Li­be­ra­lis­mus als To­ten­grä­ber der Freiheit – oder: "Warum der Li­ber­lis­mus ge­schei­tert ist."

Impuls

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Der Liberalismus beförderte ein neues Verständnis von Freiheit. In der Antike und während der langen Herrschaft des Christentums bedeutete Freiheit nicht, „zu tun, was man sich wünschte, sondern den richtigen und tugendhaften Weg zu wählen.“ „Frei zu sein bedeutete vor allem, frei zu sein von der Versklavung durch die eigenen niedersten Bedürfnisse.“ (Patrick J. Deneen).

Patrick J. Deneen führt weiter aus: „ Kennzeichnend für das moderne Denken war die Ablehnung dieser Definition von Freiheit, zugunsten derjenigen, die uns heute geläufig ist. Freiheit, wie sie von den Begründern des modernen Liberalismus definiert wurde, bezeichnete die Freiheit der Menschen, allem nachzugehen, was sie sich wünschen. Freiheit war nicht mehr, wie noch der Mensch der Antike meinte, der Zustand einer gerechten und angemessenen Selbsterziehung.“

Das Gründungsdokument des modernen Liberalismus stammt aus dem Jahr 1776, das Jahr der Unabhängigkeitserklärung der USA. Adam Smith begründete im selben Jahr den Wirtschaftsliberalismus in Form der Marktwirtschaft, die den Glauben an die Konkurrenz und die „unsichtbare Hand“ des Marktes beinhaltet. Zum gleichen Zeitpunkt also wurde das politische und wirtschaftliche Gesicht des Liberalismus auf den Weg gebracht.

Die Hauptursache für die „Pathologie des Liberalismus“ ist die Erschaffung und Ermöglichung eines sich zunehmend entwurzelten Individuums durch den Staat:

„Der Liberalismus verfügt also über zwei ontologische Kulminationspunkte: das befreite Individuum und den kontrollierenden Staat. Hobbes „Leviathan“ hat diese Realität perfekt dargestellt: Der Staat besteht ausschließlich aus autonomen Individuen, und diese Individuen werden vom Staat im Zaume gehalten. Individuum und Staat markieren jeweils eine ontologische Priorität. In dieser Welt tritt anstelle von Dankbarkeit gegenüber der Vergangenheit und Verpflichtung gegenüber der Zukunft das Streben nach unmittelbarer und umfassender Befriedigung: Kultur wird -  anstatt die Weisheit der Selbstbeherrschung und Höflichkeit zu pflegen – zum Synonym für hedonistischen Kitzel, Vulgarität und Zerstreuung; alles läuft dann darauf hinaus, Konsum, Begierden und Entfremdung zu fördern. Dadurch wird die Gesellschaft immer mehr von sozial destruktiven Verhaltensweisen bestimmt.“ (Patrick J. Deneen, Warum der Liberalismus gescheitert ist).

Der Liberalismus fußt auf Freiheit als Recht, das vom Staat durchgesetzt und gesichert werden muss und nicht, dass wir allmählich lernen müssen, frei zu werden. Die Freiheit wird in den Mittelpunkt gestellt. Damit tritt eine neue Weltanschauung auf den Plan. Freiheit, der alles untergeordnet wird, ist nicht gleichbedeutend mit Gleichheit, Fairness oder Gerechtigkeit. Diese können im Liberalismus unter die Räder kommen. Der Glaube an eine Freiheit als obersten Wert ist nicht vereinbar mit dem Tatbestand sozialer Übelstände. Unsere ältesten Erzählungen handeln davon, dass der Mensch seine Freiheit missbraucht, daher war Freiheit immer gefürchtet, wie uns der aktuelle Populismus zeigt.

Was bedeutet es, wenn der moderne Liberalismus, die alte Vorstellung, dass Liberalität einst eine Tugend war, die den Menschen gütiger, nachsichtiger, großmütiger, freigiebiger und edler machen sollte, zur Seite geschafft hat?

Dann kennt der Liberalismus nur noch sich selbst, eine Entwicklung, die wir seit dem Rückgang der Prosperität und des Wirtschaftswachstums kennen (seit den 1980er Jahren). Ein rücksichtsloser Egoismus und eine Angst, es gäbe nicht mehr genug zu verteilen, macht sich breit, gepaart mit Fremdenfeindlichkeit und Zulauf zum Fundamentalismus. Ergebnis ist eine Spaltung und letztendlich Aufsprengung von Gemeinschaft.

Ohne Selbstbeschränkung und ohne Selbstdisziplin gibt es keine Gemeinschaft. Freiheit ohne Selbstbeschränkung führt zu Terror. Die ungebremste Freiheit, die Maximierung des Eigennutzes zerstört jede Gemeinschaft und macht Solidarität unmöglich. Wenn die Freiheit im Mittelpunkt steht, wird die Kultur, Kunst und Bildung an den Rand gedrängt. Ohne ethische Normen erodiert das Rechtsbewusstsein. Die leere Freiheit um ihrer selbst willen schneidet den Menschen vom Metaphysischen und Religiösen ab. Letztendlich bleibt das geistige Leben bedenklich leer.

Am Ende des Weges der Befeiung steht die Versklavung:

„Das menschliche Verlangen ist unersättlich, und die Welt ist begrenzt. Deshalb können wir nicht wirklich frei im modernen Sinne sein. Die Erfüllung unserer Wünsche wird uns niemals befriedigen, denn wir werden von unseren Begierden ewig getrieben. Und in unserem Streben nach Befriedigung unserer grenzenlosen Wünsche werden wir den Planeten sehr schnell erschöpfen.“ (Patrick J. Deneen).

Der Liberalismus gefährdet nicht nur die Welt, er gräbt sich selbst das Grab, wenn er nicht eingehegt wird. Es wird also notwendig sein, eine Freiheit, die fähig ist, sich selbst zu beherrschen, vor einer schrankenlosen Freiheit zu retten.

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