Die Wurzeln der modernen Welt: Re­nais­sance, Re­for­ma­ti­on und Auf­klä­rung

Impuls

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Die Renaissance „vereinigt Licht und Schatten der gesamten Moderne in sich, die sie stürmisch einleitet. Die Welt entzaubernd, unerschrocken nach dem Wesen des Faktischen forschend, hebt sie alle überkommenen Legitimationen auf und löst damit die ununterbrochene Reihe der Revolutionen bis heute aus.“ (Volker Reinhardt).

Jacob Burckhardt lieferte im 19. Jahrhundert in seinem Hauptwerk „Die Kultur der Renaissance in Italien“ den wichtigsten Beitrag für eine Herausbildung der modernen Welt im Laufe des 14. –16. Jahrhunderts. Es ging ihm nach seiner eigenen Aussage darum „ eine Reihe von Phänomenen des modernen Geistes“ zu erfassen und darzustellen. Es war Italien, in dem sich die spezifischen Merkmale moderner Existenzweise erstmals ausprägten, die sich auf ganz Europa ausbreiteten. Man spricht daher auch von „Europäischer Renaissance.“

So entfaltete sich in Italien seit dem 14. Jahrhundert ein neuartiger Individualismus, nicht zuletzt durch die Rechtlosigkeit und Unsicherheit in den Stadtstaaten Venedig, Florenz und Mailand, sowie durch den Allmachtsanspruch und der Rücksichtslosigkeit ihrer Herrscher. Das Machtstreben, die Habgier und Ruhmsucht, die in der damaligen Politik und im Papsttum geherrscht haben, führten zu einer Entfesselung des Individuums. Ein neues Menschenbild entstand. Die historische Größe des Menschen, die sich in seiner schöpferischen Produktivität, Zivilisierung und Humanisierung zeigt, hat sich in Abwendung und Reibung mit dem christlichen Lebensideal vollzogen. Der Kern dieser neuen Individualität zeigt sich durch das Ernstnehmen von subjektiven, persönlichen Gefühlsregungen und in der Heftigkeit und Vielfalt der psychischen Vorgänge. Gleichzeitig mit dem erhöhten Individualanspruch zeigt sich eine neue strukturelle Rationalisierung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse. Zwei Seiten ein und desselben Vorganges, der schon die Ambivalenz deutlich werden lässt, die in der Moderne steckt.

Mit dem selbstbewussten Anspruch des Individuums steigert sich sein Reflexionsbedarf. Alles wird zum Gegenstand des Nachdenkens. Auf Tradition und Dogma von Staat und Kirche wird keine Rücksicht mehr genommen. Die neue Macht der Subjektivität drängt nach intellektueller Verarbeitung und Bearbeitung der Welt im außen. Es ist die Zeit der Entdeckungen, der Naturwissenschaften, der reichhaltigen Kunstwerke und einer Wiederbelebung bzw. Rückbesinnung auf die Antike.

In der Renaissance entsteht der Mensch neu, der sich seiner Vernunft bedient und in seiner Idealform alles kann, alles wagt und sein Maß in sich selber trägt. Der Mensch wird Herr seiner selbst und seines Schicksals.

Auch wenn sich die Mentalität der Renaissance ab dem 16. Jahrhundert abzuschwächen beginnt und mit Luther ein scheinbar anderer Geist in die Weltgeschichte Einzug hielt – Luther ist gerade nicht ein Bannerträger der modernen Welt - , so hat die Reformation und der mit ihr entstehende Protestantismus alle Merkmale der modernen Welt mit aufgebracht. Die Welt der Wissenschaften, der Wirtschaft, der Arbeit und Leistung, der Dynamik, der Demokratie ist vom Protestantismus geprägt worden.

Die Entzauberung der Welt und die Rationalisierung unserer Lebensführung sind – anders als in der Renaissance – im Protestantismus nicht gegen die Religion, sondern umgekehrt durch die Religion selbst in Gang gekommen.

Renaissance und Protestantismus haben die Entstehung der modernen Welt stark begünstigt. Was sind die Leitprinzipien der modernen Welt? Die moderne Welt ist individualistisch, sie ist eine Welt der Reflexion und des Wissens, sie ist eine Welt der Arbeit, der Leistung und der Disziplin und der Effizienz. Diese wird im 19. Jahrhundert durch die technisch-industrielle Revolution und der kapitalistischen Marktwirtschaft so richtig Fahrt aufnehmen, hat aber seine sozial-moralischen Wurzeln in der Reformation. Die moderne Welt ist auch eine dynamische, eine Welt der dauernden Veränderung, des Wachstums und der Innovationen. Nicht zuletzt ist die moderne Welt eine säkulare, profane Welt, die nicht mehr unter der Vormundschaft von Glauben und Kirche steht. Die Geschichte der modernen Welt ist eine Geschichte der Säkularisierung. Sie hat viele Wurzeln, die von der Renaissance bis zur Aufklärung reicht. Eine der Wurzeln der Moderne ist die christliche Religion selbst, die die Welt entgöttert und entzaubert hat.

Die Dialektik der Moderne bricht spätestens nach der französischen Revolution mit der Aufklärung durch. Es zeigen sich die Modernisierungsverluste, die Zwänge und Unfreiheiten, neue Unsicherheiten und Gefährdungen. Bis heute. Daher wird die moderne Welt von Beginn an von Kritik begleitet.

Wir Modernen sind alle, ob Christen oder Atheisten, Erben der Renaissance, der Reformation und der Aufklärung. Die Moderne ist nicht vom Himmel gefallen. Sie hat verschiedene Wurzeln. Durch die Erinnerung an diese Wurzeln, kann die Moderne sich über sich selbst aufklären.

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