Gedanken zur Corona-Krise

Impuls

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Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Krise haben dazu geführt, dass es erstmalig eine Unterbrechung der 10-jährigen Tradition der Freitag-Vorträge und anderer Veranstaltungen der Philosophischen Praxis gibt. Da noch nicht absehbar ist, wie lange diese Unterbrechung anhalten wird, habe ich mich entschlossen, auf diesem Wege ein paar Gedanken zu äußern.

Diese Krise führt uns unsere Endlichkeit, Vergänglichkeit, Ohnmacht und Zerbrechlichkeit vor Augen. Das Wissen von seiner Vergänglichkeit gehört zu den wesentlichsten Eigenschaften, die den Menschen von der Natur unterscheidet.

Das ruft - zugleich ist es der Ur-Aufruf der Philosophie - zur Besinnung. Besinne dich! Wir sollen aus unserer Verschlafenheit erwachen und den Mut haben, sehen zu wollen, was unser Fall ist und wie es um uns bestellt ist.

Dem Virus wurde der Krieg erklärt. Es ist natürlich sehr lobenswert, dass wir gegen das Virus und die grausame Atemwegserkrankung, die es auslösen kann, kämpften. Doch selbst wenn wir eines Tages eine Impfung gegen das Corona-Virus haben werden, es werden neue Viren und neue Krankheiten kommen. Falsch ist nicht der Kampf gegen das Leiden, sondern die Illusion, es abschaffen zu können.

Die Moderne hat den Menschen von seinen besten Traditionen abgeschnitten, die ihn bestärken konnten, wenn er schwach war, und ihm eine Stütze waren, wenn er ohne Halt zu straucheln drohte. Das Programm der Moderne, das Leiden abzuschaffen, hat die schlimme Folge, dass alles Leiden, das sich nicht aus dieser Welt hat schaffen lassen, nunmehr als sinnlos und als unser Versagen erscheint.

Die uralte Frage: Warum Leiden? hat die Moderne also durch die Aufklärung über Kausalitäten ersetzt, die Suche nach einem Sinn des Leidens damit aber abgeschnitten. Vielleicht musste das Leiden als sinnlos ausgegeben werden, damit es bekämpft werden konnte. Nietzsche bemerkt dazu:

„Nicht das Leiden selbst war das Problem, sondern dass die Antwort fehlte für den Schrei der Frage: Wozu?“

´Der Mensch ist aufgerufen, seine Sterblichkeit zu bedenken. Das könnte das Ende der Illusionen und der Überschätzung unserer Möglichkeiten bedeuten. Das Bedenken kann uns lehren, selbst das Schlimme anzuerkennen und auch im Angesicht des Leides Humor zu bewahren. Humor unterhält eine sonderbare Beziehung zum Tod.

Hören wir uns dazu eines der bekanntesten Gedichte von Wilhelm Busch an:

Es sitzt ein Vogel auf dem Leim,
er flattert sehr und kann nicht heim.
Ein schwarzer Kater schleicht herzu,
Die Krallen scharf, die Augen gluh.
Am Baum hinauf und immer höher
Kommt er dem armen Vogel näher.
Der Vogel denkt: Weil das so ist
Und weil mich doch der Kater frisst.
So will ich keine Zeit verlieren,
Will noch ein wenig quinquilieren
Und lustig pfeifen wie zuvor.
Der Vogel, scheint mir, hat Humor.

 

Der Tod stellt klar: Unser Leben, mit dem wir hauptsächlich beschäftigt sind, ist nicht das Ganze. Unser Leben, unsere Gesundheit, ist nicht Ein und Alles. Es ist relativ. Das ganze Alltagsleben, an das wir unser Leben lang gewöhnt sind, steht auf Abruf und ist nicht das Ganze, als das es uns erscheint.

Diese Lehre, die uns der Tod erteilt, hat der Humor begriffen.

Humor erspart den Aufwand, sich etwas vorzumachen.

Das ist die Welt der Endlichkeiten und Täuschungen: Nichts ist fest, solide, nirgends etwas, das einen Halt verspräche. Niemand kennt sein Ende.

Der Humor sieht die Welt, die tragisch und die komisch ist, als tragikomisches Gesamtkunstwerk. Allerdings: Humor hat, wer dennoch gerne lebt. Womit ich bei meinem eigentlichen Thema bin:

Worauf kommt es jetzt an? Viel wird von Immunisierung geredet. Manche haben die Infektion schon überstanden, wie man hört, d.h. sie scheinen, zumindest vorerst, immun geworden zu sein. Ich meine aber, noch eine andere Art von Immunisierung wäre wichtig. Eine Immunisierung, die es uns ermöglicht, auf Augenhöhe mit dieser Krise zu sein.

Worauf kommt es also an? Es kommt auf uns an. Das ist keine Empfehlung zum Egoismus oder Narzissmus. In Notlagen merkt man, mit wem man es zu tun hat. Es kommt darauf an ein Mensch zu sein, den ein Unglück oder ein Leid nicht schlechter macht, der nicht schlecht wird, wenn die Umstände schlecht werden.

Marc Aurel drückt da so aus: „Was einen Menschen nicht schlechter macht als er ist, macht auch sein Leben nicht schlechter.“

Erst unter erschwerten Bedingungen zeigt der Mensch, der er ist.

Es sind immer wieder die besonderen Menschen, die in äußerster Beanspruchung Charakter zeigen. Es kommt also auf uns an. Gerade jetzt in dieser Krise, die uns alle ohnmächtig macht. Jetzt könnte man zeigen, wer man ist. Jetzt kommt es auf uns selbst an.

Wenn aber nichts mehr geht, was dann? Einverständnis mit dem Schicksal, Ja- sagen zu dem, was uns bestimmt ist, anerkennen, was geschieht, dem, was abverlangt wird, zuzustimmen lernen….Das Mark aller Philosophie.

Einst war alles Schicksal, dann schien alles machbar, inzwischen wird das Machen und Gemachte selbst zum Schicksal.

Was uns geschieht, wird uns zugemutet, will aber auch verstanden werden. Wir lernen verstehen, genügen unserem Schicksal, indem wir mit unserem Leben im besten Sinne die Antwort geben. Wenn es hart auf hart kommt, dann haben wir nichts vorzuweisen als uns selbst.

Darin aber kommen wir zur Ruhe.

Die Corona-Krise ist eine radikale Krise, sie verlangt daher eine radikales Denken und Handeln. Dies sei zum Abschluss folgenden stoischen Gedanken vorausgeschickt: „Habe, als hättest du nicht.“

Leben, Gesundheit, oder auch das Entgegengesetzte, Tod und Krankheit.

Darauf kam es den Stoikern nicht an. Worauf dann?

„Wie du lebst und wie du stirbst.“

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