Romantik und Re­vo­lu­ti­on

Impuls

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Die Romantik ist eine Epoche, die sich in einer Zeit des politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Umbruchs herausbildet. Sie reagiert als einer der ersten Kritiker auf die Aufklärung und die Französische Revolution, und versuchte, die Widersprüche und Einseitigkeiten, die Gefahren und Verluste, die der neue Zeitgeist und die Revolution auslösten, zu beheben. Damit begriff sie bereits die „Dialektik der Aufklärung“ in ihren widersprüchlichen Auswirkungen.

Auf diese Widersprüchlichkeit der Aufklärung und des gesellschaftlichen Fortschrittes reagierte die Romantik selbst mit manifesten Widersprüchen. Sie gelangte dabei von utopisch-humanistischen bis zu restaurativ-reaktionären Antworten. Neben einer literarischen Bewegung war sie vor allem auch eine politische Bewegung. Sie war sowohl reaktionär/konservativ, als auch revolutionär/progressiv. So war sie bemüht, die verschiedensten Widersprüche durch Einheitsdenken zu versöhnen. Es ist müßig zu fragen, ob die Romantik modern oder antimodern, nationalistisch oder universalistisch, vergangenheits- oder zukunftsbezogen war. Sie war eben beides. In ihrer komplexen Widersprüchlichkeit kann sie nicht als Gegenbewegung, sondern als Erweiterungsversuch der einseitigen Aufklärung gesehen werden.

Die Umbrüche, die von Frankreich am Ende des 18.Jahrhunderts ihren Ausgang nahmen, verursachten einen fundamentalen Strukturwandel, der Politik, Gesellschaft und Kultur betraf. Die Romantik ist untrennbar verbunden mit den Geschehnissen der revolutionären Ära. Sie reagiert sowohl zuerst auf die Hoffnungen als auch auf die alsbald nicht zu verbergenden Widersprüche, die mit dem gesellschaftlichen und politischen Fortschritt einhergingen. Die widersprüchliche Lage zeigt sich an den universalen Idealen der Freiheit und Gleichheit einerseits, und dem Terror, der Unterdrückung, der Ausbeutung und hegemonialen Bestrebungen andererseits. Die Romantik wollte die rationalistischen Einseitigkeiten der Aufklärung beheben, die sich im Staatsdenken und der gesellschaftlichen Neuordnung breit machten, indem sie, nicht nur anti-aufklärerisch, die Aufklärungsphilosophie ausweiteten. Sie brachten damit eine „Dialektik der Aufklärung“ in Gang, die bis heute nicht verstummt ist. Die Romantik wurde dadurch selbst zu einer Bewegung mit manifesten Widersprüchen. In diesem Meer von Widersprüchen zeigte sich die Frühromantik nationalistisch und europäisch, modern und antimodern, fortschrittlich und konservativ, demokratisch und monarchisch, vergangenheits- und zukunftsbezogen, individualistisch und gemeinschaftsbezogen, bürgerlich und feudal, revolutionär und reaktionär, usw. Zentrale Figuren der Romantik, wie Novalis und Friedrich Schlegel wandten sich, je mehr die Auswirkungen der Französischen Revolution sichtbar wurden, der Religion zu. Daraus ergab sich lange Zeit der Vorwurf, die Romantik sei insgesamt  eine rein subjektive, verinnerlichte, wirklichkeitsfremde Bewegung, die  vor der politischen und gesellschaftlichen Misere kapituliert und resigniert habe. Insbesondere die Religion zeige die Tendenz einer Unterordnung des Einzelnen unter dem Plane Gottes, die jede Arbeit am politischen und gesellschaftlichen Fortschritt obsolet mache. Auch wenn diese Einschätzung eines Konservativismus nicht ganz falsch ist, so zeigt sich die Widersprüchlichkeit der Romantik auch darin, dass sie politisch-soziales Reformpotential hatte. Sie war auch eine modern-politische Epoche, die durchaus Gemeinsamkeiten mit dem Liberalismus und der Aufklärung hatte. Aber sie formulierte in ihrer frühen Phase eine grundsätzliche Kritik an der Moderne. Sie erkannte die Kehrseite eines rein rationalen Staates und einer Etablierung von bürgerlichen Verhältnissen, die den Menschen aus seinen bestehenden Verhältnissen reißt.

Die christliche Religion sollte die Einheit Europas stiften, wie die Vernunft den Universalismus der Aufklärer. Der Glaube an einen gewachsenen Geschichtsverlauf, den zu erkennen wichtig ist für den gegenwärtigen und zukünftigen Standpunkt, steht gegen den Glauben einer rationalen Konstruktion der Geschichte aus dem Nichts. Auch wenn die romantischen Vorstellungen keine Umsetzung fanden, so liegt ihr Verdienst darin, das Bewusstsein für historische Widersprüche geweckt zu haben. Sie haben damit unbewusst einer dialektischen Gesellschaftstheorie den Boden bereitet.

Auch wenn ihre politischen Vorstellungen im 19. Jahrhundert keine Zukunft hatten, so ist die Europa-Vision, die Synthese von Nationalstaaten und Europa als Einheit und Trennung bis heute noch aktuell.

Die Romantik ist der Stachel im Fleisch eines ungeistigen Europas, das heute wieder von nationalistisch gesinnter Politik gesteuert wird, eines Europas, das bis heute um die Synthese von Einheit und Vielfalt zwischen EU und den Einzelstaaten ringt.

Bräuchte es nicht damals wie heute ein gemeinsames geistiges Band, einen praktischen objektiven Geist, der durch die europäischen Institutionen fegt?

Die Epoche der Romantik mag untergegangen sein, an ihre geistigen Ideen soll erinnert werden.

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