Warum es belebend ist, Kier­ke­gaard zu lesen

Impuls

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Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard, der Verführer, der Einsame, der Abgründige, das Genie, der Radikale, war ein einmaliger, unvergleichlicher Mensch, Denker, Kämpfer und Schriftsteller. Er war ein Beunruhiger und Tröster, der uns aus unserer Gedankenlosigkeit aufjagt, der uns zusetzt und erbaut, der uns auf neue Wege lockt. Kierkegaard liest man nicht, man setzt sich ihm aus. Er lässt uns an einem Leben teilnehmen, das mit einer Wachheit, Aufmerksamkeit und Bewusstheit geführt wurde, wie kein zweites. Durch ihn wird man in Gedanken verstrickt. Ein weiter- bloß- so- Dahinleben wird erschwert oder heilsam vereitelt.

Er wollte mit den Leuten ins Gespräch kommen, am liebsten mit den Leuten auf der Straße. Das hatte er mit seinem Vorbild Sokrates gemeinsam. Kierkegaard war eine Jahrhundertgestalt, seine Größe und seinen Einfluss kann man kaum überschätzen. Er war ein Grenzgänger zwischen Literatur, Philosophie und Religion. Soll man ihn heute wirklich noch lesen? Ja, unbedingt! Er war gegen das abstrakte Systemdenken, stellte das Individuum in den Mittelpunkt. Sein entscheidender Gedanke lautet: Es kommt auf ein Verständnis dessen an, was es heißt, Mensch zu sein, und zwar nicht, was es heißt, überhaupt Mensch zu sein, sondern, was es heißt, dass du und ich und er und sie, dass wir jeder für sich Menschen sind. Wie und als was der Einzelne sich verstehen will, ist eine Frage, die sich jeder in seinem Leben alleine stellen muss. Kierkegaards ganzes Werk kreist um die Frage nach dem guten Leben. Diese Frage nach dem Gelingen des Lebens kommt aber nur dann in den Blick, wenn der Einzelne zunächst die Frage beantwortet, weshalb das Leben misslingen kann. Das Gelingen des Lebens – sich selbst zu verlieren, um sich selbst zu gewinnen – nannte Kierkegaard ein Paradox. Sich für sein Leben zu entscheiden, ohne sicher zu sein, ob es gelingt, gelingt nur mit einem „Sprung“, so einer seiner berühmten Wendungen. Diesen Sprung versteht er als eine existentielle Entscheidung. Er wusste, wie sehr Menschen Irrtümern unterliegen und wie sehr sie in Täuschungen und Selbsttäuschungen gefangen sind. „Ein Denker errichtet ein ungeheures Gebäude, ein System, welches das ganze Dasein und die Weltgeschichte umfasst – und wenn man sein persönliches Leben betrachtet, dann entdeckt man mit Erstaunen das Entsetzliche und Lächerliche, dass er selbst diesen ungeheuren, hochgewölbten Palast nicht persönlich bewohnt, sondern eine Hundehütte.“ Unnachgiebig hat Kierkegaard solche Selbsttäuschungen aufgezeigt.

Wer diesen Philosophen liest, der erfährt, was es heißt, zu leben, was das Leben von uns verlangt. Dieser Ausnahmemensch führte eine ständige Reflexion über das Unheimliche des Menschseins. Nur diese Reflexion bewahrt einen vor einem vertanen Leben. Es ist belebend, Kierkegaard zu lesen. Sein Geist macht lebendig.

Einige  Zitate mögen in seine Gedankenwelt einführen:

„Offenherzigkeit, Aufrichtigkeit, Öffentlichkeit ist das Lebensprinzip der Liebe, und Heimlichkeit ist ihr Tod. Es gehört freilich Mut dazu, sich so zu zeigen, wie man in Wahrheit ist. Es gehört Mut dazu, gesund sein zu wollen, ganz ehrlich und aufrichtig das Wahre zu wollen.“

„Mag die Kasuistik sich darein vertiefen, die Mannigfaltigkeit der Pflicht herauszufinden; die Hauptsache, das allein Seligmachende ist immer, dass ein Mensch in Bezug auf sein eigenes Leben nicht sein Onkel ist, sondern sein Vater.“

„Nein, in einem Irrtum zu sein, das ist, ganz unsokratisch, dasjenige, was die Menschen am wenigsten fürchten.“

Kierkegaards wichtigste Frage war: Was heißt es, Christ zu sein? Dazu passt das folgende Zitat:

„…die Verzweiflung der Zeit ist gerade, dass ein Gott da ist…“ Der größte Schreck des Menschen wäre, wenn Gott nicht tot wäre.

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