Sokrates Ge­burts­hil­fe für die Seele

Impuls

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Eine Begegnung mit der seither unerreichten Gestalt eigenwilligsten Philosophierens, mit dem Griechen, der nicht Philosophie lehrte, sondern die Philosophie war...

„Niemand denkt daran, dass es gerade ein Sokrates ist, was diese durch viel Wissen verwirrte Welt braucht.“

Kierkegaard

Die Philosophen empfinden Stolz, Trost und Beschämung zugleich darüber, dass es einen solchen Ahnherrn wie Sokrates gegeben hat. Mit ihm kam Unglaubliches in die Welt, eine tiefe Erschütterung, aus der die abendländische Kultur hervorging. Heute scheint seine Geburtshilfe für die Seele vergessen. Was soll gelten, der Erfolg, Geld, Ehre und Ansehen, oder die Wahrheit und das Gute? Sokrates trat gegen die Rhetoriker und Sophisten auf, die heutigen Berater in Politik und Wirtschaft. Wer fragt noch nach dem Guten und dem Richtigen?

Sokrates hat sich mit dem beschäftigt was von der großen Masse abwich. Das erregt Ärgernis,

das ist verdächtig – bis heute. Vor ihm musste sich alles rechtfertigen, auch wenn es in hohem Ansehen stand.

Aufgabe der Philosophie seit Sokrates ist ein Aufwecken aus Gleichgültigkeit, ein Nachdenken darüber, was wahrhaft wichtig ist und was entscheidend, oder worauf es im Leben ankommt.

Darum geht ́s: Darum, Menschen auf den Weg zu bringen, dass sie sich überhaupt diese Frage stellen, worauf es eigentlich und letztlich ankommt. Wer sich diese Frage stellt, beginnt schon, sich aus einem banalen, bedeutungs- losen, oftmals belanglosfahrigen Leben, aus seinem alltäglichen Dahin- und Durchwurschteln zu befreien.

Dann ginge es darum, was wir wirklich, wirklich wollen. Dann wollen wir nicht nur, sondern machen unser Wollen zum Thema, d.h. unser Denken steht nicht länger im Dienst unserer Wünsche, sondern unser Wollen und Wünschen hat vor unserem Denken – besser: unserem Nachdenken zu bestehen.

Dieser Sokrates hat im entscheidenden Moment, nämlich vor Gericht in seiner Verteidigungsrede durchaus gewusst, was wirklich wichtig ist, worauf es letztlich ankommt, was vorbildlich ist. Um eine solche Haltung ging es Sokrates, um grundsätzliche Überzeugungen, tragende Grund- sätze, Maximen, die man nicht irgendwie ablegt, wenn der Zeitgeist einmal in einer anderen Richtung bläst. Er stand selbst dafür ein. Die Grundlage ist der lebende Philosoph Sokrates selbst. Es ist sein Bekenntnis und seine Haltung und nicht in erster Linie Argumente, die seine Schüler überzeugt haben. Das war die praktische Wirkung des frühen Philosophiepraktikers Sokrates.

Die frühen Dialoge Platons zeugen von diesem lebendigen Lebenspraktiker. Sie geben Zeugnis vom „wirklichen“ Sokrates: „Die Apologie“ – nebenbei bemerkt ein literarisches Glanzstück, sowie die Dialoge „Kriton“ und „Phaidon“, vielleicht noch als dialektisches Kabinettstück „Euthyphron“.

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